Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
Vom Netzwerk:
gedrechselt, wie sie erkennt – und schüttelt den Bann ab. Charisma? Pheromone? Es spielt keine Rolle. Dieser Mann ist nicht der Schlüssel zu ihrem Schloss, wer auch immer er sein mag.
    Sie ärgert sich über die Versuchung.
    Sie tritt zurück und bemerkt, dass Bashar ihr einen strengen Blick zuwirft. Cardoza hofft inständig, dass er sich nicht so gut an sie erinnert wie sie sich an ihn. Vor fünfzehn Jahren war sie eine uniformierte Sicherheitswächterin, die gerade damit begonnen hatte, das zu lernen, was er damals schon seit einem Jahrzehnt wusste, als Mitglied eines Rudels, das einen Grünfreak-Terroristen in die Enge getrieben hatte.
    Er hatte mehrere Arme und Beine gebrochen und zwei ihrer Kameraden bei der Flucht getötet. Mit der Zeit hatte dieser Mann sie dazu gebracht, Fragen zu stellen. Cardoza war seinerzeit ein Mädchen mit spiegelndem Visier gewesen. Jetzt ist sie eine gefährliche Frau unter gefährlichen Menschen.
    Mit dem knappen Nicken von einem Profi zum anderen zieht sie sich mit ihrer dampfenden Paradiesschüssel zurück. Die Blicke, die sich in ihren Rücken bohren, stammen jedoch nicht von Bashar, sondern vom großen Koch. Irgendwie weiß sie es, ohne dass sie sich umdrehen muss.
    Dann beginnt der Gesang.

    Crown hatte Berichte gelesen. Manchmal glaubte er, dass er nie etwas anderes getan hatte, als Berichte zu lesen. Irgendjemand musste schließlich die verdammten Entscheidungen treffen. Die Welt ging den Bach runter, ganz gleich, wie sehr man sich bemühte gegenzurudern.
    Jemand hatte eine Ladung aus heißem Tod über einem weißen Fleck auf der Landkarte in den Bergen südlich von Portland abgeworfen. Damit hatte man Crown nicht direkt getroffen, denn seine Nutzholzinteressen beschränkten sich auf die sichere Küstengebirgsregion, und selbst die Apokalypse schien weiterhin Toilettenpapier zu benötigen. Aber die Tatsache, dass jemand in seiner Nachbarschaft so großes Unheil anrichten konnte, machte ihn sehr nachdenklich. Die Kriegsführung verlief nun schon seit einigen Jahrzehnten recht asymmetisch. Autobomben in städtischen Gebieten waren eine Sache, aber es waren sehr große Ressourcen nötig, um so viel Vernichtungskraft zu stemmen. Einer der wenigen Bereiche, die Staaten weiterhin unter Kontrolle hatten, war die Luftraumhoheit.
    Uncle Sam war vielleicht nicht mehr in der Lage, einen Highway zu reparieren, aber mit seiner orbitalen Überwachung konnte er einem genau sagen, ob man sich diese Woche das Haar gefärbt hatte. Das bedeutete, wer auch immer diese Ladung auf den Weg gebracht hatte, es waren Schmiergeldzahlungen nach Colorado Springs geflossen.
    Das war nicht undenkbar, nicht einmal für William Silas Crown, aber er hatte nicht die geringste Vorstellung von den Kosten einer solchen Aktion.
    Die Sache an sich bereitete ihm noch viel mehr Unbehagen. Mehrere Zehntausend Hektar Nutzholz wurden nicht mal eben so wegen des großen Unterhaltungswerts vernichtet.
    »Streeter!«
    Es war gar nicht ihre Schicht, wurde ihm im nächsten Moment klar. Ein Angestellter hatte ihre Vertretung übernommen, aber er wollte keinen Angestellten. Er wollte Streeter. Sie war alte Schule. Vielleicht die älteste überhaupt. Gute Leute musste man halten.
    Weitere Berichte – alte Aufklärungsdaten und Verkehrsmeldungen für den Highway 20. Gerüchte aus den Netzen, alle drei Generationen. Zuordnungen zu Verhaftungen, zumindest von den Stellen, wo man noch Listen führte.
    Hatten die Grünfreaks fast zweihundert Kilometer südlich eine weitere Stadt gebaut? Vielleicht einen Klon von Cascadiopolis? Ihm war schon lange klar gewesen, dass so etwas möglich war, dass es sogar sehr plausibel war. Ihrer Technik habhaft zu werden war, als wollte man Stichlinge mit der Hand fangen. Hin und wieder erwischte man etwas, aber das meiste glitt einem wie Mondlicht durch die Finger.
    Aber eine komplette Stadt per Luftpost abzufackeln?
    Abgesehen von nacktem, irrationalem Hass fiel ihm kein Grund dafür ein. Und mit Hass ließen sich keine großen Bestechungsgelder in Colorado Springs bezahlen.

SEQUENZ
    Tygre lässt seine Stimme davonfließen. Wie der Morgennebel von der feuchten Erde aufsteigt und sich zwischen den gewaltigen Bäumen ausbreitet, so füllt sein Gesang den Raum zwischen den müden Stimmen der Bewohner von Cascadiopolis aus.
    Es ist ein altes Lied, eins der ältesten, das die meisten Menschen kennen. Die Lobpreisung, losgelöst vom Prunk der Kirche und Eucharistie in dieser postkonfessionellen

Weitere Kostenlose Bücher