Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
Vom Netzwerk:
zurechtkommt und sich leise zwischen den nachtdunklen tropfenden Bäumen bewegt, in ihrer Gemeinschaft untertauchen kann. Davon ist Tygre fasziniert. Solche Fähigkeiten sind nicht unbekannt, aber sie sind selten. Selbst an einem Ort voller Ausnahmen wie Cascadiopolis.
    Er hat von Anfang an gedacht, dass entweder Gloria Berry oder Bashar sich gegen ihn wenden würden. Nun macht Tygre sich Gedanken über diese Frau, die gar nicht da ist.
    Es wäre nett, eine Weile offen mit ihr reden zu können. Sie könnten sich in einen glucksenden Bach stellen, auf einen freien Platz, wo passive Zuhörer oder gewöhnliche Lauscher unwahrscheinlich sind, und murmeln, um ferne Lippenleser zu entmutigen. Er kann sich das Gespräch vorstellen, die Themen, die sie anschneiden würden, die gemeinsamen Interessen, die letztlich hinter ihren unterschiedlichen Intentionen hervortreten.
    Der Kollaps wird schließlich jeden töten. Das hat seine Schule genauso deutlich erkannt wie die hartnäckigen Befürworter des Kapitals, genauso deutlich wie die Generäle in Colorado Springs, genauso deutlich wie die Muftis in Bagdad und Mekka. Die Tage der Verleugnung sind längst vorbei, hinweggefegt mit dem Zusammenbruch der amerikanischen Politik und der Wall Street. Die Tage der Übereinkunft werden niemals kommen.
    Trotzdem haben sie gemeinsame Interessen: Überleben, Wohlstand in irgendeiner Form, saubere Luft und sauberes Wasser. Sogar Kinder. Eine Zukunft, die in jedem Fall eintreten wird.
    Tygre weiß ganz genau, dass er nie mit der Frau sprechen wird. Sie könnte das Messer in seinem Rücken sein. Genauso könnte sie niemand sein. Es spielt keine Rolle. Er ist eine Kulturbombe auf der Suche nach einem Zünder. Sie versteckt sich vor Bashar und dem Sicherheitssubkomitee.
    Alle sind die, die sie sein müssen.
    Schließlich steigt er vom Felsvorsprung herab, sucht seine Kleidung zusammen und fragt sich erneut, ob heute der große Tag ist.

OFFERTORIUM
    Happiness Cardoza hasst diese Stadt immer mehr aus tiefster Seele. Sie ist ein gejagtes Tier. Natürlich nicht in Wirklichkeit, denn die Grünfreaks hätten sie in den ersten vierundzwanzig Stunden zur Strecke bringen können, wenn sie bereit gewesen wären, eine allgemeine Versammlung einzuberufen. Dann hätten sie die Grenzen sichern können, während die meisten Bürger eingesperrt wären.
    Doch das ist nicht die Art, wie sich Cascadiopolis um Probleme kümmert. Nicht innerhalb der Grenzen. Im Gegensatz zur rücksichtslosen Effizienz der Unternehmenssicherheit oder den brutalen Kraftmultiplikatoren des Militärs zieht Cascadiopolis mit den Waffen des Gerüchts und des Schattens in den Kampf. Dieselben Menschen, die sie wie einen gefangenen Lachs ausgeweidet hätten, wenn sie draußen ergriffen worden wäre, würdigen sie hier drinnen keines zweiten Blickes.
    Der leidenschaftslose Teil ihres Geistes, der innere Beobachter, ist von dieser Dichotomie fasziniert. Die Stadt ist mit einer fluktuierenden Bevölkerung von mehreren Tausend Menschen viel zu groß, als dass jeder auf seine Nachbarn achtgeben könnte. Es gibt einen Grund, weshalb militärische Einheiten die Größe eines Stammes mit mehreren Dutzend Mitgliedern nicht überschreiten. So bleibt gewährleistet, dass jeder jeden kennt.
    Diese Stadt ist keine Kompanie. Sie ist nicht einmal ein Batallion. Sie ist eine Brigade. Nur dass es keinen Brigadegeneral gibt.
    Wenn nicht ihr Leben auf dem Spiel stünde, würde sie darüber lachen, wie diese Menschen in die Falle ihrer eigenen anarchistischen Ideale tappen.
    Stattdessen hält sie den Kopf gesenkt, arbeitet in den Sägewerken, die tief in den Schluchten verborgen sind, wo Totholz und die Erträge der extrem sanften Holzfällerei zu Nutzholz verarbeitet werden. Sie schläft nie zweimal an der gleichen Stelle. Die Menschen hier reden ständig mit leiser Stimme, aber sie stellen niemals Fragen.
    Eine fähige Frau, die bereit ist, für eine komplette Nachtschicht an einer Zwei-Mann-Säge zu arbeiten, ist eine Bereicherung, die nicht infrage gestellt wird.
    Sie ist den unterschiedlichsten Menschen begegnet – Transporteuren, Kahnführern, Lehrern, Ingenieuren, Farmern, lebenslangen Aktivisten, hinterbliebenen Eltern, verwaisten Kindern, Leuten, die sich in ihren drogenvernebelten Seelen verloren haben, und sogar einem uralten abtrünnigen Kapitalisten, der gern über die alten Zeiten an der Sand Hill Road drüben in Silicon Valley spricht. Cardoza sagt nur wenig, aber wenn sie an der Reihe ist,

Weitere Kostenlose Bücher