Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
weiterbeförderten.
Und überall waren Menschen in Scharen hektisch bei der Arbeit.
Mock Turtle suchte sich einen Weg über den Bürgersteig, während die blinden Menschen mit den Brillen auf magische Weise im letzten Moment auswichen. Ein menschliches Meer teilte sich für den Mann im Rollstuhl.
»Willkommen zum größten koordinierten Überraschungsangriff der urbanen Erneuerung aller Zeiten«, verkündete er. »Zweihunderttausend Menschen, die sich der Aufgabe widmen, dieses Gebäude in einen nachhaltig bewirtschafteten Komplex zu verwandeln.«
Ich bekam weiche Knie. »Die Eddies werden das Militär zu Hilfe rufen.«
»Seit dem Morgengrauen haben wir in aller Stille an der inneren Infrastruktur des Gebäudes gearbeitet und so viel wie möglich vorbereitet. Schon seit Monaten wurden anderswo Bauteile hergestellt. Wir haben das alles seit einem Jahr an 3-D-Modellen in einer umfangreichen Multiplayer-Simulation geprobt, nachdem wir das Zielobjekt ausgesucht hatten. Es wird noch acht Stunden dauern, um die Erde hineinzuschaffen und dann die internen Anpassungen vorzunehmen, bis es für die Besetzung bereit ist.«
»Aber was ist es?« Wozu brauchten sie die Erde?
»Seit es Städte gibt, haben die Menschen in verfallenen Vierteln immer wieder ungenutzte Gebäude übernommen und für neue Zwecke umfunktioniert. Aber welchen Sinn hätte es, Gebäude wie dieses zu übernehmen, wenn wir keine neuen Paradigmen anzubieten haben?« Mock Turtle führte mich zum Wolkenkratzer. In der riesigen Lobby arbeiteten Leute an mehreren Bassins. Die Sprinkler an der Decke wurden testweise aktiviert und verbreiteten für einen Moment Nebel.
Mein Gastgeber fuhr fort. »Es begann in einem Online-Spiel, bei dem die Leute Wohnungen oder Häuser entwerfen konnten. Viele nutzen es, um auszuprobieren, wie man sie effektiver gestalten könnte, oder um bereits existierende Wohnungen in Nischen der Stadt umzubauen. Irgendwann wurde den Designern klar, dass wir die Ökonomie eines Kleinstaats aufgebaut hatten. Also fragten sie sich, wie man einige Probleme lösen könnte, um das Ganze verantwortungsbewusster zu gestalten. Daraus entwickelte sich der Gemeinschaftsplan, so etwas wie ein Botschaftsgebäude für die ganze Welt zu errichten.«
Wir fuhren mit einem gläsernen Aufzug durch die Stockwerke des Hochhauses. Ich sah Apfel- und Orangenbäume und gefurchten Ackerboden. Das alles war mir vertraut. Farmen. Sie legten Farmen an. Wie die Wolkenkratzerfarmen in New York. Man musste keine Rücksicht auf die Jahreszeiten mehr nehmen. Das Ackerland wurde viel effizienter genutzt. Man konnte das Wasser zurückgewinnen, wenn es durch die Schwerkraft von selbst nach unten sickerte.
»Zuerst probierten wir es mit einem Hausbesetzer. Das löste eine Reaktion der hiesigen Edgewater-Filiale aus, die den Auftrag erhielt, diese Person auszuquartieren. Die Eddies haben sich vertraglich verpflichtet, dieses Gebäude zu beschützen. Daraufhin konnten unsere Hacker den Bericht verfolgen, den Edgewater über verschiedene Strohfirmen an den tatsächlichen Eigentümer dieses Gebäudes schickte.«
Wir waren an zwanzig Stockwerken mit Farmen und Gärten vorbeigefahren, und nun kamen die Apartments.
»Diese Information wurde öffentlich gemacht, was rückwirkende Steuerforderungen und Pfändungsbeschlüsse zur Folge hatte, was die Eigentümer wiederum in den Bankrott trieb. Jetzt beanspruchen wir das Eigentumsrecht und bieten an, Steuern zu zahlen und unseren Besitz gut zu verwalten. Mittels einer Tochtergesellschaft, die ihren Sitz in der Türkei hat.«
»Türkei?«, sagte ich. »Warum die Türkei?«
»Wir haben Verbündete ganz oben in Amerika. Verbündete, die wollen, dass wir erfolgreich sind, die die Simulationen durchgespielt haben, die wissen, was wir geplant haben. Und es gibt ein ganz einfaches finanzielles Argument: Wenn uns das Gebäude gehört und wir Steuern zahlen, erhöhen wir damit den Wert der Immobilie und bieten vielleicht sogar einen Weg an, wie sich die Slumps wiederbeleben lassen. Da wir über eine türkische Firma den Antrag gestellt haben, eine diplomatische Vertretung zu bauen, vorgeblich für die Türkei, befinden wir uns in gesetzlicher Hinsicht auf türkischem Boden. In diesem Land gibt es ein sehr interessantes Gesetz. Wenn man ein Haus innerhalb einer Nacht baut und der Landeigentümer es nicht bemerkt und einen nicht daran zu hindern versucht, kann man in diesem Haus wohnen.
Also wird man uns dieses Grundstück überlassen, wenn
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