Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
haben. Kommen Sie, wir haben Ihnen noch etwas anderes zu zeigen. Dazu müssen wir eine kleine Fahrt unternehmen.«
»Ich brauche mein Fahrrad …«
»Ihr Fahrrad wird immer noch hier sein, wenn Sie wiederkommen, falls Sie der Meinung sind, dass Sie es brauchen.«
Die mutmaßlichen Besitzer der anderen Fahrräder an der Hintertür hatten sich nicht gezeigt. Aus Rücksicht auf Shearers Gebrechlichkeit waren sie jedoch in ein winziges Hybridauto gestiegen, als sie das Haus mit der Schnellstraße hinter dem Garten verließen. Homer fuhr, und Cadie knüllte sich grübelnd auf dem Rücksitz zusammen.
Vielleicht war es ein Anzeichen für ihre mangelnde Fantasie, aber es fiel ihr verdammt schwer, den Haken an der Sache zu finden. Und nachdem sie zu einem wilden Tier geworden war, machte allein das sie misstrauisch. Wenn man die Falle nicht sah, leuchtete es ein, dass es vermutlich trotzdem eine gab.
Zumindest machte sie sich keine Sorgen mehr, dass man sie entführen oder verletzen wollte. Das hätten sie in der Sekunde tun können, als sie in das unheimliche ausgeschlachtete Haus getreten war, das wie ein Blatt am absterbenden Zweig der Interstate 75 wuchs. Es gab auch keinen Grund, sie so lange hinzuhalten, außer für einen Betrug, und für ihre Gier oder Eitelkeit wäre ein Betrug jetzt äußerst verlockend gewesen. Natürlich bestand immer noch die Möglichkeit, dass diese Leute genau das waren, was sie zu sein schienen…
Es waren schon unwahrscheinlichere Dinge geschehen.
Cadie verschränkte die Hände im Schoß und übte sich in Geduld. Sie wartete und stellte Fragen, während Detroit an den Fenstern des schnurrenden Hybridautos vorbeizog. Der kleine Wagen gab nur dann lautere Geräusche von sich, wenn der Straßenbelag schlechter wurde. Cadie fragte sich, wie er sich auf dem behaupten konnte, was angeblich das Verkehrsstraßennetz von Detroit war.
»Wie kommen Sie darauf, dass Firuza nicht in Sicherheit ist, wo sie sich derzeit befindet?«
Homer wandte den Blick nicht von der Windschutzscheibe ab. »Wir haben sie gefunden.« Eine nüchterne, sachliche Antwort von großer Überzeugungskraft.
Cadie lehnte sich auf dem Rücksitz zurück und verschränkte die Arme über dem Sicherheitsgurt. Ihr Butterflymesser drückte in ihre Hüfte.
»Sie haben noch nicht erklärt, wie Sie ohne … Dinge leben wollen«, sagte sie. »Jeder braucht irgendwelches Zeug. Kleidung, Kochgeschirr, Laken und Bettdecken, Staubsauger, Rasenmäher …«
Shearer kramte in ihrer Handtasche. »Wie oft mähen Sie Ihren Rasen?«
»Wie bitte?«
»Ihren Rasen.« Sie reckte den Hals, damit sie Cadie mit einem Stirnrunzeln ansehen konnte. »Wie oft mähen Sie ihn?«
»Im Augenblick habe ich keinen Rasen.«
»Gut. Und wenn Sie einen hätten?«
Cadie dachte an Taras zurück, sein Haus, das Personal und den manikürten Rasen. Allein wenn sie sich das alles vorstellte – seine Datscha, womit er einen Palast meinte -, musste sie gegen aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Er ist auf der anderen Seite der Welt , ermahnte sie sich selbst. Er kann dir hier nichts anhaben.
Aber wenn sie tat, was diese verrückten Leute von ihr wollten, würde sie ihn vielleicht auf ihre Spur locken.
Jedenfalls glaubte sie, dass normale Leute ihren Rasen wohl nicht so oft mähten, wie es Taras’ Gärtner taten. »Einmal die Woche«, sagte sie und versuchte so zu klingen, als hätte sie nicht geraten.
»Was tun Sie also mit dem Rasenmäher an den übrigen 167 Stunden der Woche?«
»Aha. Also braucht man nur einen Rasenmäher für 168 Häuser?«
»Das nicht«, sagte Shearer. »Denn manchmal wollen die Leute ihren Rasen zur gleichen Zeit mähen – und jeder am Samstagnachmittag, nicht wahr? Und manchmal ist es zu dunkel. Aber man könnte einen gemeinschaftlichen Rasenmäher für zehn Häuser anschaffen. Oder fünfzehn. Und dann abwechselnd alle Rasen mähen. Sagen wir, Sie hätten einen Rasenmäher und zehn Gärten. Sie mähen am Samstag fünf Gärten, Ihr Nachbar mäht fünf am Sonntag, und dann sind Sie beide für den Rest des Monats aus dem Schneider. Und im Kollektiv haben Sie den Kaufpreis – und den Ressourcenverbrauch – von neun Rasenmähern gespart. Ich meine, es wäre natürlich vernünftiger, einen Rasen nicht zu mähen, aber die Menschen mögen nun einmal kurz geschnittenes Gras. Man muss innerhalb dessen arbeiten, was die Leute zu opfern bereit sind, und es langsam angehen. Wenn sie erst einmal erkannt haben, dass es erheblich billiger ist,
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