Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
gut und hat viel Vitamin C. Wir tun ihn in die Suppe. Hier, folgen Sie mir.«
Er führte sie zu einer weiteren Treppe, die in einer Ecke des Gebäudes lag und mit einem alten NOTAUSGANG-Schild gekennzeichnet war. Wieder stieg sie hinter ihm hinauf, und diesmal hörte sie das Kichern von Kindern durch das Treppenhaus aus Glas und Zement hallen. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Gruppe einholen wollte. Vielleicht wollte sie sich in Wirklichkeit die Ohren zuhalten, um sie nicht mehr hören zu müssen.
Was auch immer ihr Bewusstsein dachte, ihr Unterbewusstsein war sich ganz sicher. Sie bemerkte erst, dass sie immer schneller ging, als sie Homer fast in die Fersen getreten wäre. »Die Person, die die Wandbilder gemalt hat«, sagte sie, als Homer sich umdrehte und sie fragend ansah. »Hat sie – oder er – sich für diese Arbeit weitere Marken verdient?«
»Nicht nur dafür«, sagte Homer. »Sie ist so etwas wie eine Universalgelehrte. Aber das ist tatsächlich eine ihre Leistungen.«
»Gut«, sagte Cadie. »Also unterscheidet es sich im Grunde gar nicht so sehr von allem anderen. Nur dass Sie statt Geld diese Marken bekommen …«
»Außer dass wir nicht an einer ausbeuterischen Wirtschaft mitwirken, die nur die Taschen der Kapitalinhaber ganz oben füllt. Stattdessen sind wir Teil einer kollektiven Wirtschaft, in der die Menschen sich gegenseitig kennen und alles auf Reputation basiert.«
»Bis die Sache zu groß wird.«
»Dann teilen wir uns«, sagte Homer. »Wir bilden kleinere Gemeinschaften, die wieder eine tragfähige Größe haben. Wachstum – der Drang, möglichst schnell so groß wie möglich zu werden – ist nicht unbedingt die beste Überlebensstrategie. Denken Sie an die Dinosaurier und die Säugetiere.«
Sein Grinsen war ansteckend. Er drückte die Tür zum Dach auf, und sie folgte ihm nach draußen, überrascht, dass sie nachgiebige Erde unter den Füßen hatte und dass die kühle Nachtluft so köstlich war. Wahrscheinlich hatte sie unbewusst Kies erwartet und den ätzenden Geruch von Teerpappe, die einen ganzen Tag lang von der Sonne aufgeheizt worden war.
»Ein grünes Dach!«, rief sie erstaunt aus und spürte Homers selbstgefälliges Vergnügen.
»Das ist alles uralte Technologie«, sagte er. »Vom Dachgarten bis zur kooperativen Landwirtschaft. Es ist nur so, dass wir uns eine Zeit lang vom Fortschritt haben irritieren lassen. Wir haben uns von der Idee mitreißen lassen, dass wir gleichzeitig alles andere aufgeben müssen, was bisher gut funktioniert hat.«
Als sie weitergingen und Cadies Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie die Umrisse anderer Menschen erkennen. Zuerst die Kinder, die sie bereits gesehen hatte, die nun aber nicht mehr kicherten und herumtollten, sondern sich in einer engen, fröhlichen Gruppe zusammendrängten und gebannt auf etwas blickten, das von der LED-Taschenlampe in der Hand ihres Betreuers beleuchtet wurde. Hinter ihnen umarmte sich ein Pärchen, während die beiden zusahen, wie die Mondsichel hinter Bäumen aufging. Der größere Mann hatte den Kopf auf die Schulter seines Liebhabers gelegt.
Cadie entfernte sich von Homer und ging auf die Kindergruppe zu, die sich um die Sphäre aus hellem grünen Licht scharte. Der Betreuer blickte auf, als sie näher kam, und nahm ihre Anwesenheit zur Kenntnis, zeigte jedoch keine weitere Reaktion. Da er ihr auch nicht zu verstehen gab, dass sie hier unerwünscht war, schlich sie sich auf Zehenspitzen an und blickte über die Köpfe der Kinder. Sie umstanden einen unscheinbaren schwarzen Käfer von der Größe einer Kidney-Bohne, und als Cadie sich fragte, was das alles sollte, worum es in dieser Lehrstunde ging, nahm der Betreuer den Daumen vom Knopf der LED-Taschenlampe, und das Licht ging aus.
Wieder brauchten ihre Augen einen Moment, um sich an das schwache Mondlicht zu gewöhnen, die silbrigen Umrisse der vorgebeugten Kinder und die hohe Wand zum nächsten Dach. Mondlicht, erinnerte sie sich von irgendwoher, setzte sich aus parallelen Strahlen zusammen, weil es wie von einem riesigen Spiegel reflektiert wurde. Es war kalt – reflektiertes Licht war immer kalt -, und es warf klar abgegrenzte Schatten, weil es sich nicht wie Sonnenlicht zerstreute. Es verwandelte jeden Grashalm in eine schlanke Frostklinge und die Schattenteiche unter den Kindern in bodenlose Brunnen. Funkelnde grüne Lichterketten gingen an und aus, ohne nennenswert zur Beleuchtung beizutragen, ganz anders als die LED-Ketten
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