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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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in der Lobby.
    Zumindest dachte Cadie das, bis im Zentrum ihrer Gruppe ein helles Lichtsignal aufblitzte, ein kaltes chemisches Licht so grün wie die erloschenen LEDs, das auf das Funkeln von oben zu antworten schien. »Glühwürmchen«, hauchte sie, als sie verstand, und biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Lippe, um der Peinlichkeit zu entgehen, es laut auszusprechen.
    »Das Weibchen bleibt am Boden«, sagte der Betreuer, »bis es ein Männchen findet, das schnell und hell genug blinkt, um ihr Interesse zu wecken. Wenn das geschieht, blinkt sie zurück, um ihm zu zeigen, wo er sie findet. Bevor sie das tut, weiß das Männchen nicht einmal, dass sie überhaupt da ist.«
    »Aber warum werden dann nicht alle mit schlechtem Licht herausgezüchtet?« Es war ein Mädchen, das diese Frage stellte, dachte Cadie, obwohl es anhand einer Stimme in der Dunkelheit schwer zu sagen war. Sie fragte sich, ob Firuza schon einmal ein Glühwürmchen gesehen hatte.
    »Das ist eine wirklich gute Frage, Sabrina. Es ist so, dass es andere Männchen gibt, die nicht so gut leuchten, und manchmal warten sie, bis ein Weibchen einem anderen Männchen ein Signal gibt, und dann versuchen sie, vorher zu ihr zu gelangen und sie auszutricksen. Mit dieser List schaffen sie es, ihre Gene weiterzugeben. Salazar, such dir ein Männchen aus, eins von den fliegenden. Dann nimm die Lampe und versuch das Blinken möglichst gut zu imitieren, um ihn dazu zu bringen, zu dir zu kommen …«
    Im unregelmäßigen Widerschein der LED konnte Cadie Salazars Gesicht ausmachen. Er war vielleicht acht oder neun Jahre alt, und als er aufblickte, war sein Gesichtsausdruck so konzentriert wie der eines Wissenschaftlers, während er versuchte, das Blinkmuster eines Männchens aus der Warteschleife in der Luft herauszusuchen.
    Cadie bemerkte erst, dass sie den Atem angehalten hatte, als Salazars lautlose Konzentration um das plötzliche, unmissverständlich prasselnde Rattern einer abgefeuerten Salve implodierte.
    Sie warf sich intuitiv zu Boden – beziehungsweise auf das Dach, riss Salazar und ein weiteres Kind an sich, um beide mit ihrem Körper zu decken. Homer schlug neben ihr auf den Boden, während der Betreuer seinen Schützlingen Befehle zubellte, knappe Kommandos, die verrieten, dass sie alles eingedrillt hatten. Als alle in die Hocke gegangen waren und sich eilig, aber geordnet auf die Tür zubewegten, rollte sich Cadie zur Seite, um die beiden Kinder zu entlassen, damit sie ihren Klassenkameraden hinterherkrabbeln konnten. Am Rand waren die beiden Männer, die den Mondaufgang beobachtet hatten, in die Knie gegangen und lugten über die Wand wie Bogenschützen über eine Festungsmauer. Einer – der kleinere – berührte sein Headset. Cadie sah, wie das blaue Licht flackernd zum Leben erwachte, als er hineinsprach.
    Homer berührte sie am Arm. »Folgen Sie den Kindern. Ernie wird sich um Sie kümmern.«
    »Homer, hier könnte es um mich gehen …«
    »Miss Grange«, sagte er. »Es geht nicht immer nur um Sie. Gehen Sie zu dem netten Mann.«
    Cadie überlegte, ob sie weitere Einwände vorbringen wollte, aber Homer entfernte sich bereits von ihr, während Ernie – offenbar der Kinderbetreuer – die Achtjährigen in einer Reihe die Treppe hinunterscheuchte. Dabei zählte er jedes vorbeikommende Kind mit einem Klaps auf den Kopf. Cadie hastete tief gebeugt zu ihm.
    »Homer sagte, Sie würden sich um mich kümmern«, sagte sie, als Ernie sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. Er hatte das Licht im Treppenhaus gelöscht, aber im Mondschein konnte sie seine Miene deutlich erkennen. Sie biss sich auf die Lippe und sagte: »Tut mir leid. Ich bin hier neu.«
    In diesem Moment wurde ihr zum ersten Mal klar, dass Homers und Shearers aggressive Verkaufstaktik funktionierte. Ernie musterte sie eine Sekunde lang, während ihm eine Locke des dichten, dunklen Haars in die Stirn fiel, bis er sie gereizt zurückwarf. »Gut«, sagte er. »’tschuldigung. Wollte nicht unfreundlich sein. Folgen Sie mir.«

    Im Dunkeln ging es die Treppe hinunter, während sie sich nicht einmal am Licht der LED-Taschenlampe orientieren konnten. Nur ein Stockwerk, denn dieses Treppenhaus befand sich in einer Ecke des Gebäudes, wo sie durch Glas sichtbar wären, wenn jemand genauer hinschaute. Die Kinder blieben in der Mitte der Treppe, die Köpfe eingezogen, die Schultern gebeugt, als sie die Stufen hinunterstiegen. Cadie tat es ihnen nach und schützte die Kinder in ihrer Nähe mit ihrem

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