Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)
bevor die Blätter abfallen.«
»Warum bezeichnet man sie als Testgärten?«, fragte sie.
»Die Pflanzen hier oben sind genetisch verändert«, sagte ich. »Die Botaniker teilen sich das Genlabor mit den Genetikern, die an den Schweinen arbeiten. Das Labor nimmt den kompletten zwanzigsten Stock des Gebäudes ein. Gewöhnlicher Pöbel wie wir hat dort keinen Zutritt, aber man erlaubt uns, während der Mahlzeiten und Pausen den Garten aufzusuchen. Ich komme oft mit Mahlzeit hierher. Mit dem Schwein, meine ich. Mit Mahlzeit zur Mahlzeit. Du weißt schon. Vielleicht sollte ich jetzt nichts mehr sagen.«
Leah lächelte, was im Mondlicht sehr nett aussah. »Ich finde es bezaubernd, dass du ein Schwein als Haustier hast«, sagte sie.
»In seiner Nähe würde ich das Wort ›Haustier‹ lieber nicht benutzen«, sagte ich. »Er ist eine eigenständige Persönlichkeit. Zufällig sind wir Freunde geworden.«
»Gut«, sagte Leah. »Dann finde ich es bezaubernd, dass du ein Schwein als Freund hast. Bist du jetzt glücklich?«
»Es wird immer besser«, sagte ich, und selbst im Mondlicht sah ich, dass sie ein wenig errötete. Leah war immer noch mit Will zusammen, und sie gehörte nicht zu den Mädchen, die so etwas schleifen ließen, nicht einmal eine Minute lang. Aber für sie war es kein Geheimnis, dass ich mir immer noch wünschte, sie würde mit mir gehen. Und es hatte keinen Sinn, so zu tun, als würde ich es anders sehen. Man kann anderen Menschen durchaus zeigen, was man für sie empfindet, ohne verzweifelt zu wirken – zumindest hoffte ich, dass ich das konnte.
»Ich mag deinen Arbeitsplatz, Benji«, sagte Leah nach einer Weile.
»Das sagst du nur, weil ich dich noch nicht ins Untergeschoss C mitgenommen habe«, gab ich zu bedenken. »Wenn ich dich in die Blockadesituation bringe, wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit anders darüber denken.«
Leah lachte. »Ich glaube, das erspare ich mir lieber.«
»Feigling«, sagte ich.
Wieder lächelte sie und beugte sich vor, um Mahlzeit zu tätscheln. Er beschnupperte sie.
Eins unserer Telefone klingelte. Es war Leahs. Sie entfernte sich ein paar Schritte und nahm den Anruf entgegen. Eine Minute später kehrte sie zurück und hielt mir ihr Telefon hin. »Es ist für dich«, sagte sie.
Ich nahm das Telefon zur Hand. »Hallo?«, sagte ich.
»Benji«, sagte Will am anderen Ende der Verbindung. »Ich muss dich um einen Gefallen bitten. Um einen sehr großen Gefallen.«
»Es geht um Marcus«, sagte Will, als ich mich am nächsten Tag mit ihm und Leah zum Mittagessen traf. »Ich habe ihn jetzt seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen. Gelegentlich schreiben wir uns E-Mails und reden darüber, was so los ist, aber er ist immer irgendwo ziemlich weit weg von hier. Doch gestern ruft er an – er hat tatsächlich angerufen – und erzählt mir, dass er in St. Charles ist und sich mit mir treffen will. Er sagt, dass er dort morgen bei einem Rave ist und hat mir gesagt, wie ich hinfinde. Also weiß ich jetzt, wo und wann ich ihn treffen kann, aber ich habe keine Möglichkeit, dort hinzukommen.«
Ich wand mich ein wenig. Dass Will mich um den Lastwagen des Arnold Tower bat, damit er zu seinem Bruder in die Wildnis fahren konnte, war schon schlimm genug, aber dass er damit zu einem Rave fahren wollte, grenzte an nackten Wahnsinn. »Das verstehe ich nicht«, sagte ich. »Du kannst doch einfach ein Fahrzeug von der Stadt anfordern. Das reißt für einen Monat ein tiefes Loch in dein Haushaltsenergiebudget, aber es ist dein Bruder. So viel sollte er dir wert sein.«
»Das habe ich doch längst versucht«, sagte Will mit einer Spur von Verärgerung in der Stimme. »Vielleicht bist du nicht ganz auf dem Laufenden, was die aktuellen Ereignisse betrifft, Benji. Draußen vor der Stadt braut sich ein Volksaufstand zusammen. NSL erlaubt seinen Bürgern nicht mehr, sich mit Bodenfahrzeugen dort hineinzuwagen. Sie würden ausgeschlachtet, bevor sie die Interstate erreicht haben. Mann, manchmal blickst du überhaupt nicht durch!«
»Will«, sagte Leah.
Will hob die Hand. »Ich weiß. Tut mir leid, Benji. Es ist nur so, dass ich Marcus sehr lange nicht mehr gesehen habe, und ich habe keine Ahnung, wann sich wieder eine solche Gelegenheit bietet. Du weißt, wie viel er mir bedeutet.«
Und wie ich das wusste. Vor langer Zeit, bevorwirbeschlossen, dass wir uns eigentlich nicht besonders gut leiden konnten, waren Will und ich gute Freunde, und ich war oft bei ihm und seiner Familie. Will
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