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Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen)

Titel: Scalzi, John - Metatropolis (Erzählungen) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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vergötterte seinen älteren Bruder. Er war völlig fertig, als Marcus seine Eignungstests sausen ließ und der Stadt verwiesen wurde. Deswegen wusste ich so genau, wie ich ihn an diesem Schwachpunkt treffen konnte, wenn ich das Gefühl hatte, dass er mich zu sehr piesackte.
    »Hör mal, Benji«, sagte Will. »Ich weiß, dass wir schon seit langem keine Freunde mehr sind. Ich weiß, dass wir uns nicht so gut miteinander verstehen. Ich weiß, dass du sauer auf mich bist…« Er verstummte, bevor er weil ich mit Leah zusammen bin sagen konnte, und entschied sich für etwas anderes. »Ich weiß, dass du wegen vieler Dinge sauer auf mich bist. Und ich weiß, dass ich dich oft wie ein Stück Dreck behandelt habe. Wenn du meine Bitte ablehnst, würde niemand sagen, dass ich es nicht verdient hätte. Aber ich bitte dich, nur dieses eine Mal, um einen Gefallen. Ich bekomme keinen Wagen, um nach St. Charles fahren zu können. Aber du hast einen. Dein Laster kommt durch die Tore der Stadt und wieder zurück. Du musst nicht einmal wie normale Fahrzeuge am Tor anhalten, weil der Wagen einen Signaturtransponder hat, nicht wahr?«
    »Du scheinst die Sache ja sehr gründlich durchdacht zu haben, Will«, sagte ich.
    »Er ist mein Bruder , Benji«, sagte Will. »Ich will ihn sehen. Hilf mir. Bitte.«
    Ich sah Will und dann Leah an, die sich bemühte, eine neutrale Miene zu wahren. Aber ich wusste, was sie von mir erwartete, und ich wusste, dass ich genau das sagen würde, weil ich wusste, was Leah wollte.
    Man muss schon ein ganz besonderer armseliger Loser sein, um jemandem zu helfen, den man hasst, nur um seine Freundin glücklich zu machen , dachte ich. Natürlich war das noch nicht die ganze Geschichte. Aber im Moment fühlte es sich genauso an.
    »Ich werde mal sehen, was ich tun kann«, sagte ich. »Aber ich kann dir nichts versprechen. Die Einschränkungen für Bodenfahrzeuge könnten auch für städtische Lastfahrzeuge gelten. Und wenn es so ist, werde ich nicht Kopf und Kragen für dich riskieren, Will. Schließlich ist es nicht so, dass ich jede Menge Möglichkeiten habe, an einen neuen Job zu kommen. Verstanden?«
    »Verstanden«, sagte Will und sah mich an, als wollte er jeden Moment losheulen. »Danke, Benji. Wirklich. Das werde ich dir niemals vergessen.«
    »Danke, Benji«, sagte auch Leah.
    »Ich werde tun, was ich kann«, sagte ich und sah zuerst sie und dann ihn an. »Für euch beide.«

    »Mit dem Laster sieht es folgendermaßen aus«, sagte Barnes zu mir. »Ich sage nicht Ja, aber ich sage auch nicht offiziell Nein. Jeder von uns hat sich den Laster gelegentlich inoffiziell ›ausgeborgt‹. Was mich betrifft, gehört das zu den wenigen Vergünstigungen in diesem Job. Eine kleine Entschädigung dafür, dass wir den ganzen Tag lang in Schweinescheiße arbeiten müssen. Das heißt, wenn du mit dem Laster losfährst, und es passiert etwas damit, dann kriegst du offiziell Ärger, und ich kann nichts tun, um dir irgendwie aus der Patsche zu helfen. Also setz ihn nicht vor einen Baum, überfahr damit keinen Hirsch, und lass ihn von niemandem abfackeln. Kapiert?«
    »Kapiert«, sagte ich.
    »Wofür brauchst du ihn überhaupt?«, wollte Barnes wissen.
    »Ich will jemanden nach St. Charles bringen, damit er dort seinen Bruder treffen kann, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat.«
    »Einen solchen Ausflug würde ich in diesen Tagen nur ungern machen«, sagte Barnes. »Das muss ja ein toller Freund sein.«
    »Eigentlich ist es gar kein Freund«, sagte ich.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Barnes.
    »Seine Freundin ist meine Ex«, sagte ich. »Aber die Flamme brennt immer noch. Und so weiter.«
    »Aha«, sagte Barnes. »Nun ja, ich hoffe, dass du es mir nicht übelnimmst, wenn ich es sage, aber das klingt nach einer ziemlich beschissenen Situation für dich.«
    »Genauso fühlt es sich auch an«, sagte ich.
    Barnes klopfte mir auf die Schulter und ging.
    In der folgenden Nacht fuhren Will, Leah und ich aus New St. Louis heraus und rollten mit dem Laster über die holprigen Straßen des alten St. Louis, bis wir eine geeignete Auffahrt zur Interstate 70 fanden und in Richtung Westen weiterfuhren. Die Interstate war nicht gerade in einem Zustand, den man als hervorragend bezeichnen konnte – die Prioritätenliste der US-Regierung schrumpfte immer mehr zusammen, und das System der Schnellstraßen hatte es noch nie bis in die Top Ten geschafft -, aber sie war befahrbar, solange man keine allzu hohe Geschwindigkeit

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