Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
niemals kennengelernt … Und dann würde es auch meine geliebte Enkeltochter nicht geben. Du musst nur fest daran glauben, Scarlett. Your life is in your hands .«
Das stimmt. Ich habe wirklich mein Leben selbst in der Hand.
Jetzt ist Schluss mit dem Selbstmitleid! Wenn dir wirklich etwas an Mikael liegt, dann zeig es ihm. Vielleicht kann er mir ja verzeihen. Und nicht nur er … Ich habe noch gar nicht mit Ofelia gesprochen. Sie ist Mikael einfach zu ähnlich: Ihr zu begegnen tat mir weh. Deshalb habe ich mich darauf beschränkt, sie jeden Tag nur aus der Entfernung zu grüßen. Bis sie sich nicht mehr auf meinen Wegen hat blicken lassen.
»Danke, Oma. Du bist wie ein Leuchtturm für mich …«
»Ein Leuchtturm?«
»Ja. Ich habe das Gefühl, dass mein Leben wie ein Sturm ist, und Himmel und Meer sind ein einziger schwarzer Fleck. Und dann kommst du …«
»Endlich ist mein biblisches Alter mal zu etwas nütze.«
»Du bist doch gar nicht so alt!«
»Ach, dafür liebe ich dich … Und was ist mit deinem Bruder?«
»Na ja, Marco und ich verbringen nicht so viel Zeit zusammen. Bei dem ganzen Schulstress, den vielen Gedanken, die mich quälen und allem …«
»Hast du mich gerufen?«
»Hier ist er schon, Oma, du weißt ja, dem entgeht nichts. Soll ich ihn dir mal geben?« Bevor ich ihm den Hörer reiche, zische ich ihm noch zu: »Spion!«
»Hallo, Oma! Scarlett ist gemein. Nie macht sie was mit mir!«
»Das stimmt gar nicht!«, versuche ich mich zu verteidigen.
»Doch, das stimmt. Du bist gemein. Und wenn ich in ihr Zimmer gehe, Oma, dann schickt sie mich immer weg.«
Ich versuche, ihm den Hörer abzunehmen. »Das ist nicht meine Schuld! Er kommt nur immer im falschen Moment.«
Doch er hat gar nicht so unrecht. In letzter Zeit verbringe ich meine Nachmittage meist allein in meinem Zimmer, nur der iPod leistet mir dabei Gesellschaft. Manchmal muss ich dann weinen. Oder ich denke daran, wie nah Mikael und ich uns gekommen waren, an den Duft seiner Haut, das Leuchten in seinen Augen.
Er fehlt mir so. Vielleicht sondere ich mich deswegen so von meiner Familie ab. Ich fahre jeden gleich an, der versucht, sich mir zu nähern.
»Hier, nimm«, sagt der Kleine und gibt mir das Telefon zurück.
»Scarlett, du bist für ihn ein Vorbild. Versuch das nicht zu vergessen.«
»Du hast recht, er hat mit meinen Problemen nichts zu tun. Und das mit Mama und Papa ist schon schlimm genug für ihn …«
»Streiten sie immer noch so oft?«
»Das ist noch milde ausgedrückt … Aber sag bitte nicht, dass ich dir das verraten habe. Jetzt muss ich aber los. Ich geb dir einen Kuss, Oma.«
»Und einen Kuss zurück, my little heart .«
73
I m Kino ist es dunkel. Erstaunlich, wie lebendig die Gestalten wirken, die sich über die Leinwand bewegen, und das nur dank der Brillen, die man am Eingang ausgeteilt hat. Ich habe noch nie einen 3D-Film gesehen. Am Anfang wurde mir ein wenig übel, aber dann habe ich mich daran gewöhnt. Caterina und Genziana lachen sich kringelig, während wir die Abenteuer einer Tierbande verfolgen, die sich für Menschen halten.
Auch Marco hat sich jedes Mal fast weggeschmissen vor Lachen, wenn im Fernsehen Trailer von dem Film gesendet wurden. Sein Lieblingstier ist die kurzsichtige Fledermaus: Ständig knallt sie beim Fliegen irgendwo gegen und sorgt für unendliches Chaos.
»Gehst du mit mir ins Kino, Scarlett?«, hat er mich mit seinen großen Hundeaugen angebettelt. Ich war gerade dabei, von meinem Platz am Fenster den Baum zu betrachten, der mir so ähnlich ist. Der mit den hoch erhobenen Ästen, der so aussieht, als ob er sich ergeben wollte. Noch nie habe ich mich so sehr wie er gefühlt wie in diesem Moment. Ich möchte um das kämpfen, was ich verloren habe, aber ich traue mich nicht. Meine Angst, dass Mikael nichts mehr von mir wissen will, hält mich davon ab, den ersten Schritt zu tun.
Wenn du mich darum bittest, aus deinem Leben zu verschwinden, werde ich im gleichen Moment fort sein. Und ich habe in meiner Angst und Wut einfach Ja gesagt.
Wie lang ist das jetzt her? Ein paar Wochen? Monate? Ich weiß es nicht, mir ist jedes Zeitgefühl abhandengekommen. Ich habe versucht, diesen Tag aus meinem Kalender zu löschen. Aber es schmerzt immer noch so stark, als wäre es gestern gewesen.
Ich werde mit Marco in diesen Film gehen. In letzter Zeit habe ich ihn zu oft enttäuscht, bin nicht auf seine kleinen Versuche eingegangen, meine Aufmerksamkeit zu erlangen, weil ich so in
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