Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
Ich muss öfter krank werden.«
»Wag das ja nicht!«
»Bringst du mir auch ein Geschenk mit? Mama und Papa haben mir einen neuen Dinosaurier mitgebracht.«
»Jetzt übertreib es mal nicht.« Ich lächle ihn an, meine Mundwinkel ziehen sich nach oben wie schon lange nicht mehr.
Ich gehe den Gang entlang und verabschiede mich von den Krankenschwestern, den Ärzten, den Patienten, einfach von jedem, dem ich begegne. Die werden mich für verrückt halten, aber das ist mir egal. Ich bin zu glücklich und voller Dankbarkeit für Mikael.
Endlich kann ich ihn vollkommen verstehen. Und wenn man bedenkt, dass ausgerechnet ich ihn beschuldigt habe, er würde seine Kräfte missbrauchen, um den natürlichen Lauf der Dinge zu verändern, aber dann nicht gezögert habe, ihn zu bitten, das Leben meines Bruders zu retten. Zwar nicht mit Worten, aber mit der Qual, die aus jedem Winkel meines Herzens hervorsprudelte.
Mikael musste Umbertos Erinnerungen auslöschen, um das Geheimnis der Parallelwelt zu bewahren. Um seiner Pflicht als Wächter gerecht zu werden, um unsere Liebe zu beschützen. Wie ungerecht ich gewesen bin! Ausgerechnet als er mir seine menschlichste Seite enthüllt hat, indem er mir von seiner tiefen Einsamkeit und seinen Gefühlen erzählt hat, habe ich ihn von mir gestoßen.
Ich hoffe nur, dass er bereit sein wird, mir zu verzeihen.
»Der Weg zur Erkenntnis führt manchmal durch Schmerzen. So ist das mit dem Erwachsenwerden.« Ich denke an den Tag zurück, als Edoardo mir diesen Satz aus einer seiner alten Schwarten vorgelesen hat.
Ich werde nach dem Buch suchen.
Es passt perfekt auf meine gegenwärtige Situation. Die Trennung von Mikael ist schmerzhaft gewesen, aber sie hat mir erlaubt, über meine Fehler nachzudenken.
Ich werde dem Jungen, den ich liebe, zeigen, wie ich mich verändert habe. Ich bin bereit, ihn so zu akzeptieren, wie er ist … Ich will ihm eine Stütze sein, ihm durch die Kraft meines Gefühls seine Aufgabe erleichtern.
Beim Auswickeln einer Praline habe ich einmal einen Zettel mit einem Spruch gefunden, der mir in diesem Augenblick idiotisch vorkam: »Abstand ist wie der Wind, die kleinen Flammen löscht er aus, doch die großen facht er an.« Erst jetzt begreife ich seine Bedeutung.
Girl from the Stars muss einen anderen Schluss bekommen!
78
W illkommen zurück, Scarlett! Im Namen der ganzen Klasse. Ich weiß, du hast eine schwere Zeit hinter dir, aber du kannst auf die Hilfe und Unterstützung von uns allen zählen.« Die Zini ist sichtlich bewegt. Sie lächelt.
Mein erstes Erscheinen in der Klasse nach so vielen Tagen Abwesenheit wird von langanhaltendem Beifall begleitet.
Caterina reicht mir einen Stapel Blätter. »Ich habe dir meine Notizen kopiert. Sie sind nach Fächern geordnet, so kannst du schnell wieder alles aufholen.«
»Danke«, flüstere ich verlegen. Ich bin so viel Aufmerksamkeit nicht gewöhnt. Verläuft mein Leben endlich in den richtigen Bahnen? Vielleicht hat ja in mir eine Veränderung stattgefunden und die Welt da draußen hat es bemerkt.
Nach den Renovierungsarbeiten wurde die Bibliothek wieder geöffnet. »Du wirst dich bestimmt freuen zu hören, dass sie jetzt Edoardos Namen trägt, zum Gedenken an ihn. Es hat eine kleine Feier gegeben, bei der man an seine große Liebe zu Büchern erinnert hat. Seine Frau war auch da. Sie ist wunderschön, aber so traurige Augen wie ihre habe ich noch nie gesehen«, fährt Cat fort.
Ich erinnere mich an diesen traurigen Blick. Er hat sich in meinen Kopf eingebrannt.
Ich betrachte die Welt draußen vor dem Fenster und stelle fest, dass der Winter nur noch eine vage Erinnerung ist. In letzter Zeit hatte ich weder Zeit noch Lust, um das zu bemerken. Der Frühling setzt hier und da schon seine ersten schwachen Vorzeichen.
Ich nutze die Pause, um bei Black vorbeizuschauen. Als ich die Tür öffne, fürchte ich schon, dass er mich nicht mehr erkennt, aber er läuft mir miauend entgegen.
»Wie groß du geworden bist! Wenn ich dir auf der Straße begegnet wäre, hätte ich dich nicht wiedererkannt.«
Er antwortet mir mit einem Miau und streicht bettelnd nach Zärtlichkeiten um meine Beine. Als ich ihn auf den Arm nehme, schnurrt er wie ein kleiner Motor. Von Mikael keine Spur.
»Tut mir leid, Black, ich gehe dein Herrchen suchen. Ich muss unbedingt mit ihm reden.«
Zum ersten Mal werde ich zu der Statue der Frau mit der Taube gehen, um ihn zu finden.
Ich verlasse den Raum, laufe mit großen Schritten den Flur
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