Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
wolltest, habe ich geglaubt, du würdest endlich …« Jetzt wendet er den Blick ab. »Ach, schon gut.«
Ich ermutige ihn nicht, fortzufahren. Ich möchte lieber so tun, als wüsste ich nicht, was er nicht ausgesprochen hat. Daher nehme ich den Faden wieder auf: »Sie reden nicht mehr mit mir, sie fühlen sich hintergangen. Caterina hat sich umgesetzt, und Genziana sieht mich immer so an, als wäre ich … ach, was weiß ich, als würde ich kleine Kinder zum Frühstück verspeisen oder so. Sie hassen mich, und ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Du musst gar nichts tun. Ich werde dafür sorgen, dass alles wieder in Ordnung kommt.«
»Und wie? Sie würden mir doch niemals glauben. Sie halten mich für gemein und hinterhältig.«
»Du bist ein wunderbarer Mensch.« Er nimmt meine Hand in beide Hände. »Sieh mich an, Scarlett«, meint er leise.
Ich sehe in seine Augen. »Du bist wunderbar, hast du gehört? Ich werde alles in Ordnung bringen. Eigentlich ist das Ganze ja meine Schuld.«
»Caterina wird wütend werden.«
»Caterina gegenüber werde ich so tun, als wüsste ich nicht, was sie für mich empfindet. Wie ich es ja schon die ganze Zeit getan habe.«
»Willst du damit sagen, du … du hast gemerkt, dass sie …«
»Ich bin ja nicht völlig verblödet. Das war der Grund, warum ich ihr keine Nachhilfe mehr gegeben habe. Ich wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen, für mich ist sie nur eine Freundin.«
»Das wusste ich nicht … Und jetzt?«
»Hoffen wir mal, dass ihre Schwärmerei bald vorübergeht. Zumal mein Herz von jemand anderem besetzt wird und ich nicht die Absicht habe, diesen Menschen einfach so aufzugeben.« Er drückt meine Hand und sieht mir tief in die Augen.
»Es ist besser, wenn du jetzt gehst«, stottere ich. Ich stehe auf und entferne mich ein wenig.
»Gibt es einen anderen?«
Ich antworte nicht. Jetzt wird es allmählich peinlich.
»Ich habe dich gefragt, ob es jemand anderen gibt.« Umberto steht ruckartig auf. Die Schaukel quietscht.
»Ich bitte dich, Umberto, ich habe jetzt keine Lust, darüber zu reden.«
»Ist es Mikael Lancieri?«
Ich schweige. Und zusammen mit meinen niedergeschlagenen Augen, die stur auf den violetten Stern an meinen Schuhen starren, spricht mein Schweigen eine ziemlich deutliche Sprache.
»Der passt nicht zu dir. So einen sollte man lieber vergessen.«
»Lass das mal meine Sache sein!«
»Dann stimmt es also … Du hast dich in ihn verknallt. Ich glaub’s nicht. Was findet ihr bloß alle an diesem arroganten Kerl?« Umbertos Stimme zittert vor Wut. Ich habe noch nie erlebt, dass er so die Beherrschung verliert.
»Jetzt solltest du wirklich besser gehen. Das meine ich ernst.«
Dieses Mal hört er auf mich und verschwindet.
Ohne sich zu verabschieden.
35
A lle in der Klasse ignorieren mich. Genziana, Caterina und Laura hören auf zu reden, sobald ich in ihre Nähe komme. Lorenzo und Pietro haben beschlossen, sich der Clique anzuschließen, und sobald es das Wetter zulässt, verbringen alle die Pause in den grünen Haaren von Großmutter Eiche. Sie lachen und machen ihre Scherze, genau wie früher. Nur ohne mich.
Sogar Livio schaut mich merkwürdig an, vielleicht hat Genziana auch ihm alles erzählt. Eigentlich scheint er ja nie mit jemandem zu reden. Manchmal treffe ich ihn während der Pause in der Bibliothek, oder er verschwindet einfach irgendwohin. Nur Anna redet weiterhin wie ein Maschinengewehr auf mich ein. Aber das zählt nicht. Sie würde mit jedem quatschen, auch mit einem Nachttischchen.
Sogar die Casarini, die Geschichtslehrerin, hat sich eingemischt, mit ihrem originellen Abfragesystem. »Wie ich sehe, hat es einige Platzwechsel gegeben«, meinte sie mit einem hinterhältigen Lächeln. »Gut, dann wollen wir mal sehen, ob die neuen Banknachbarn funktionieren. Castoldi und Bertolini, wir werden uns jetzt mal nett unterhalten.« Anna und ich haben uns verzweifelt angesehen. Letztendlich bin ich mit einem Ausreichend davongekommen. Dank Anna! Sie wusste wenig, aber dafür hat sie umso mehr geredet. Sie hat die Lehrerin einfach zugequatscht und sie damit völlig durcheinandergebracht. Verlegen und wortkarg habe ich mich hinter ihrem Wortschwall versteckt.
Schlimmer kann es ja nicht mehr kommen, habe ich mir gesagt. Doch da hätte ich mir nicht so sicher sein sollen …
»Und, hast du alles dabei?«, fragt Anna kryptisch. Keine Ahnung, was sie meint.
»Was, alles?«
»Hallo, jemand zu Hause? Heute ist Montag, jetzt
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