Scarlett – Die Liebe hat Augen wie Eis, der Tod hat Augen wie Feuer: Roman
ist so: Manchmal kommt es vor, dass ein Dämon den Pakt bricht und eine Frau raubt … Dann kommt es zu dem schlimmsten Fluch. Die Frau stirbt, wenn sie der Frucht aus dieser widernatürlichen Vereinigung das Leben schenkt, und der Dämon muss zusehen, wie nun sein schlimmster Feind das Licht der Welt erblickt.«
»Was bedeutet das?«
»Das Schicksal des Kindes ist vorbestimmt: Es wird ein Wächter. In seinen Adern fließt sowohl Menschen- wie auch Dämonenblut, die ständig miteinander in Konflikt geraten.«
»Willst du mir damit sagen, dass du der Sohn eines …« Ich kann den Satz nicht zu Ende bringen.
»Ich wollte dich nicht zu sehr erschrecken und habe daher die Geschichte meiner Herkunft im Dunkeln gelassen. Als ich dir gesagt habe, dass ein Teil meines Blutes dämonisch ist, war das nicht nur im übertragenen Sinn gemeint. Ich habe meine Mutter niemals kennengelernt. Es liegt in meiner Natur, dass ich mich keiner der beiden Welten zugehörig fühle, von denen ich ein Teil bin. Mir war schon immer bewusst, dass ich anders bin und eine Bürde in mir trage. Wir Wächter werden als Einzelgänger geboren und sind dazu verdammt, unser ganzes Leben allein zu bleiben.«
Es regnet heftig. Der Wind peitscht die Tropfen in stürmischen Böen.
Ich zittere.
Mikael hat sein Innerstes vor mir entblößt und mit mir die verborgensten Geheimnisse seines Wesens geteilt, aber dennoch fühle ich nichts als Kälte.
»Es tut mir leid, aber ich kann dir nicht mehr vertrauen.« Mein Schluchzen zerreißt die Stille. »Ich möchte nicht immer befürchten müssen, dass … jedes Mal, wenn ein Problem auftaucht … du dich einmischst und die Menschen dazu bringst, das zu tun, was du möchtest. Oder dass du die Erinnerungen von jemandem auslöschst, wenn du dich bedroht fühlst.«
Mikael ist triefnass, unaufhörlich prasselt der Regen auf seine Schultern. Sein Gesicht ist undurchdringlich.
»Du hast recht, so bist du nun einmal, das ist dein Wesen. Vielleicht bin ich einfach nicht stark genug, das zu ertragen. Wer weiß, wie viele Lügen du mir noch erzählt hast …«
Ich muss schwer schlucken. Dann schaue ich ihn an. Ich schäme mich meiner Tränen nicht. »Ich weiß jetzt nicht mehr, wer du bist. Ich habe an uns beide geglaubt, aber … Vielleicht war es auch nur ein schöner Traum. Ich wollte nicht daraus erwachen, aber jetzt habe ich die Augen geöffnet.«
Vielleicht weint auch Mikael. Oder es ist nur der Regen. Als er endlich etwas sagt, verrät seine Stimme keine Gefühle. »Ich will nur dein Bestes. Wenn du mich darum bittest, aus deinem Leben zu verschwinden, werde ich im gleichen Moment fort sein.«
Eine Pause, die eine Ewigkeit zu dauern scheint. Vielleicht ist es auch nur der unendlich tiefe Abgrund zwischen uns.
»Ja … bitte …« Ich senke die Lider. Und mache eine Pause, um mein letztes bisschen Kraft zu mobilisieren. »Aber keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Ein leise dahingehauchtes Flüstern im tosenden Gewitter. Als ich wieder hochschaue, ist Mikael nicht mehr da.
Er ist im Regen verschwunden in ebendem Moment, als ich dieses verfluchte Wörtchen Ja ausgesprochen habe. Vom Schmerz überwältigt sinke ich zu Boden.
68
I ch öffne die Augen. Mein Kissen ist noch feucht von den Tränen. Ich werfe einen Blick auf den Wecker, dabei sehe ich auf dem Nachttisch zu meiner Überraschung Sally liegen. Ich erinnere mich an den Abend, als ich sie Mikael geschenkt habe und dazu ein kleines Stück meines Herzens. Er hat sie mir zurückgegeben. Das letzte Band zwischen uns … ist nun zerrissen.
Ich stehe auf, schmerzbetäubt, und ziehe mich mechanisch an. Dabei fällt mir das T-Shirt mit den Einhörnern in die Hände. Wieder eine mit Mikael verbundene Erinnerung: Das hatte ich an, als ich mich zum ersten Mal in der Abstellkammer versteckt habe und beim Klang seiner Stimme zusammengezuckt bin.
Wie kann ich nur hoffen, ihn jemals zu vergessen?
Ich rede mir ein, dass die Zeit alle Wunden heilt. Jetzt muss ich stark sein und nur die ersten Tage überstehen. Danach wird es besser.
Ich gehe in die Küche. »Stimmt etwas nicht, Scarlett? Du siehst schrecklich aus …« Meine Mutter mustert mich besorgt.
»Nein, es ist nichts Schlimmes. Ich konnte heute Nacht bloß nicht schlafen.«
Sally liegt wieder in meiner Hosentasche. Jetzt ist sie nicht mehr das Geschenk meiner Großmutter, sondern etwas, das Mikael bei sich getragen und mir zurückgegeben hat.
»Wegen des Gewitters?«
»Ich glaube
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