Scarpetta Factor
wieder zu Meinungsverschiedenheiten führte.
»Nun, jemand muss es getan haben.« Unverkennbar Berger. »Die Leute kommen und gehen. Sie haben so viele Gäste.
Das war schon immer so.« Die Frau mit dem Akzent.
»Sie sagten doch gerade, das hätte nach Rupe Starrs Tod nachgelassen.«
»Ja, es wurde ein bisschen weniger. Aber sie haben immer noch Besuch. Ich weiß nicht. Mr. Fuller legt großen Wert auf seine Privatsphäre. Er hält sich mit seinen Freunden hier unten auf. Ich mische mich nicht ein.«
»Sollen wir Ihnen tatsächlich glauben, Sie hätten keine Ahnung, wer im Haus verkehrt?« Das musste Bonnell sein.
Rupe Starrs Autos. Eine Sammlung wertvoller und seltener Wagen, zusammengestellt mit Bedacht und Gefühl. Der Packard aus dem Jahr 1940 war das gleiche Modell, das schon sein Vater gefahren hatte. Der Thunderbird, Baujahr 1957, war Rupes Traumauto in seiner Zeit an der High School gewesen, als er einen VW Käfer gefahren hatte. Der 1969er Camaro erinnerte ihn an den fahrbaren Untersatz, dessen Besitzer er nach seinem Abschluss in Betriebswirtschaft in Harvard gewesen war. Mit dem Mercedes aus dem Jahr 1970 hatte er sich für seine ersten Erfolge an der Wall Street belohnt. Lucy pirschte sich an seinem geliebten Duesenberg, Baujahr 1933, dem Ferrari 355 Spider und dem letzten Wagen vorbei, den er kurz vor seinem Tod erworben und nicht mehr die Gelegenheit gehabt hatte zu restaurieren. Es war ein gelbes Taxi des längst nicht mehr existierenden Herstellers Checker aus dem Jahr 1979. Rupe hatte gesagt, es symbolisiere für ihn New York in seiner Glanzzeit.
Die neueren Ergänzungen seiner Sammlung, die Ferrari, die Porsche und der Lamborghini, waren auf Anregung von Hannah und Bobby angeschafft worden. Dazu gehörten auch das weiße Bentley-Azure-Cabriolet, das mit der Motorhaube zur Wand geparkt war, und Bobbys roter Carrera GT, der es blockierte. Berger, Bonnell und Nastya standen am Heck des Bentley und redeten. Sie hatten Lucy den Rücken zugekehrt und sie deshalb bis jetzt nicht bemerkt. Als Lucy das Checker-Taxi erreicht hatte, rief sie »Hallo«, damit sie sich nicht erschraken. Sie bemerkte Reste von Sand an den Reifen des Wagens und Spuren, die zu ihnen hinführten. Laut fügte sie hinzu, dass sie bewaffnet sei, und kam langsam näher. Die drei Frauen drehten sich um, und Lucy erkannte den Ausdruck, der sich auf Bergers Gesicht malte, weil sie ihn schon öfter gesehen hatte: Angst, Argwohn und Schmerz.
»Nicht«, meinte Berger, und es war Lucy, vor der sie sich fürchtete. »Steck die Waffe weg. Bitte.«
»Was?«, erwiderte Lucy verdutzt. Sie stellte fest, dass Bonnells rechte Hand zuckte.
»Bitte steck die Waffe weg«, wiederholte Berger tonlos.
»Wir haben versucht, dich anzurufen und anzufunken. Vorsicht, immer mit der Ruhe«, fügte Lucy mit einem warnenden Blick auf Bonnell hinzu. »Nehmen Sie die Hände langsam vom Körper weg und strecken Sie sie aus.« Lucy hatte die Pistole im Anschlag.
»Nichts, was du getan hast, ist es wert, dass du dich weiter in Schwierigkeiten bringst. Bitte steck die Waffe weg«, beharrte Berger.
»Ganz ruhig. Nicht aufregen. Ich komme jetzt näher, und dann unterhalten wir uns«, antwortete Lucy beim Gehen. »Du weißt ja nicht, was inzwischen passiert ist. Verdammte Scheiße!«, brüllte sie Bonnell an. »Wehe, wenn Sie noch einmal die Hand bewegen!«
Nastya murmelte etwas auf Russisch und brach in Tränen aus.
Berger machte einen Schritt auf Lucy zu. »Gib mir die Waffe, und dann reden wir. Wir können über alles sprechen, was du willst. Kein Problem. Es spielt keine Rolle, was du getan hast. Ob es sich nun um das Geld dreht oder um Hannah.«
»Ich habe gar nichts getan. Jetzt hör mir doch endlich mal zu.«
»Alles wird gut. Gib mir die Waffe.« Berger starrte Lucy an, während diese Bonnell im Auge behielt.
»Gar nichts ist gut. Du hast nämlich keine Ahnung, wer sie ist.« Lucy meinte Nastya. »Oder einer der anderen. Toni war hier im Haus. Das konnten wir dir nicht mitteilen, weil du nicht erreichbar warst. Tonis Uhr ist mit einem GPS ausgestattet, das uns verraten hat, dass sie hier war. Sie kam am Dienstag und ist in diesem Haus gestorben.« Lucy warf einen Blick auf das gelbe Checker-Taxi. »Und er – oder mehrere Personen – hat sie eine Weile bei sich behalten.«
»Es war niemand im Haus.« Nastya schüttelte unter Tränen den Kopf.
»Sie sind eine gottverdammte Lügnerin«, sagte Lucy. »Wo ist Bobby?«
»Ich weiß gar nichts. Ich
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