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Scatterheart

Scatterheart

Titel: Scatterheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lili Wilkinson
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Scatterheart fragte sie, ob sie den Weg zu ihres Vaters Haus wisse.
    Long Meg war betrunken. Nicht angeheitert oder benebelt oder berauscht. Sie war sturzbesoffen. Seit drei Tagen regnete es und die Frauen drehten beinahe durch. Sie prügelten sich wegen der kleinsten Kleinigkeiten und der Laderaum stank nach Schweiß und Erbrochenem. Das Schiff wurde hin und her geworfen, oben peitschte der Regen und unten wütete der Ozean. Und die stickige Luft tat ihr Übriges, dass fast alle seekrank wurden.
    Long Meg wälzte sich auf ihrem Bett, erzählte dreckige Witze und lachte heiser. In der einen Hand hielt sie einebedenklich leere Glasflasche. Es war bereits Nachtruhe und im Schlaftrakt der Frauen brannte nur noch eine spärlich flackernde Kerze. Hannah hatte schreckliche Angst, jemand könnte Long Meg hören und nach unten kommen.
    »Eine Feier! Eine Einpersonenfeier«, krähte Meg und fuchtelte mit der leeren Flasche herum.
    »Pst!«, zischte Hannah. »Woher hast du das überhaupt?«
    »Was das?«, fragte Meg und setzte eine Unschuldsmiene auf. Doch dann prustete sie los. »Keine Ahnung, was du meinst.«
    Hannah verdrehte die Augen. »Und ich habe keine Ahnung, wie du es fertigbringst, in so kurzer Zeit so betrunken zu werden.«
    »Betrunken?«, lallte Long Meg. »Ich bin kein bisschen betrunken.« Sie kicherte. »Ich bin
sehr
betrunken. Ich bin voll wie ein König. Nein, wie ein Kaiser. Voll wie eine Haubitze.« Sie packte Hannah am Kleid und blies ihr ihre Alkoholfahne ins Gesicht.
    »Zieh nicht so ’ne Miene, Gnädigste.« Sie rülpste. »Ich bin voll wie die Sau von Davy.«
    »Genug«, sagte Hannah. »Du musst jetzt schlafen.«
    Long Meg schüttelte den Kopf. »Nee, nee. Erst muss ich dir die Geschichte von Davys Sau erzählen. Du bist …«, auf der Suche nach den richtigen Worten wedelte sie mit der Hand. »Du bist … etwas Besonderes. Häubchen und Schleifchen und Einladungen. Du weißt schon, was ichmeine. Abendessen mit Törtchen und Zuckerblümchen. Du kennst die Sau von Davy nicht und deshalb muss ich dir das erzählen.«
    Hannah legte Meg die Hand auf den Arm. »Vielleicht hat das Zeit bis morgen.«
    Long Meg zog ihren Arm zurück. »Jetzt. Jetzt musst du das hören.« Sie schloss kurz die Augen und konzentrierte sich. »Davy kam aus Wales. Und er hatte ein Schweinchen. Und ein Weibchen. Und das Schweinchen hatte sechs Beinchen.« Meg schwieg und sah Hannah bedeutungsvoll an. »Sechs und kein Bein weniger. Und sein Weibchen, das hatte zwei Beine. Sie war eine widerliche alte Hexe und ziemlich dem Suff verfallen.« Long Meg kicherte. »So wie ich. Nur dass sie sich geschämt hat. Und ich nicht.«
    Hannah hörte über sich die schweren Schritte von Offiziersstiefeln. »Das ist eine nette Geschichte«, sagte sie schnell. »Aber ich glaube, für heute reicht es.«
    »Eines Tages«, fuhr Meg fort, als hätte sie Hannah nicht gehört, »eines Tages war das Weibchen so besoffen, dass es Angst bekam, was sein Mann wohl sagen würde. Also schaffte es das Schweinchen hinaus und legte sich selbst in den Stall, um seiner…« Meg fand das passende Wort nicht. »… um nicht mehr so betrunken zu sein. Aber da kam Davy nach Hause. Er hatte einen Freund mitgebracht, dem er das Schweinchen mit den sechs Schweinchenbeinchen zeigen wollte. ›Schau nur!‹,sagte Davy stolz, denn er liebte sein sechsbeiniges Schweinchen. ›Hast du jemals so eine Sau gesehen?‹ Du musst nämlich wissen, dass Davy nicht besonders schlau war und den Unterschied zwischen seinem Weib und seinem Schwein nicht kannte. Aber Davys Freund, der war ein ganz Schlauer und der sagte: ›Das ist das besoffenste Schweinchen, das mir je untergekommen ist.‹ Und seit dieser Zeit wurde die Frau nur noch Davys Sau genannt.«
    Long Meg drohte Hannah mit dem Finger. »Also, jetzt weißt du, dass du nie, niemals …«, sie sah Hannah verwirrt an, » … niemals so tun darfst, als wärst du ein Schweinchen. Außer, wenn du besoffen bist.« Sie nickte nachdrücklich, verdrehte die Augen und schlief auf der Stelle ein.
    Hannah seufzte erleichtert und legte sich in ihr Bett. Aber sie hatte kaum die Augen zu, da tippte ihr jemand auf die Schulter. Es war James.
    »Was machen …«
    »Pst«, bedeutete er ihr, »sonst wecken wir die anderen Frauen. Der Regen hat aufgehört. Kommen Sie mit nach oben.«
    Hannah kletterte aus dem Bett. Zum ersten Mal war sie froh, dass die Sträflinge in ihren Kleidern schlafen mussten.
    »Warte.« Es war Long Meg, die, immer noch

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