Scepter und Hammer
Nach dem, was Du erfährst, haben wir uns dann einzurichten.«
Der Zigeuner folgte dem Gebote. Er holte den Telegraphenbeamten ein, so schnell schritt er aus, doch ließ er sich nicht von ihm bemerken, sondern schlug sich an ihm vorüber durch den Wald, nicht achtend der Nässe, welche die Aeste auf ihn warfen. In der Stadt angekommen, suchte er den bezeichneten Gasthof auf. Vor dem Thore desselben stand ein mit zwei Pferden bespannter Kutschwagen, den er sofort erkannte, auch wenn der Besitzer desselben nicht gerade bei den Thieren gestanden hätte. Es war Beyer, und die Depesche war also keine Minute zu früh an ihre Adresse gekommen.
»Beyer!«
Der Angeredete drehte sich um.
»Horgy! In diesem Wetter auf den Beinen?«
»Deinetwegen. Du fährst zwei Männer?«
»Ja.«
»Wohin?«
»Ueber die Grenze.«
»Daraus darf nichts werden.«
»Warum?«
»Sie müssen in die Tannenschlucht.«
»Warum?« frug der Fuhrmann verwundert.
»Weil Sie es befohlen hat.«
» Sie? Zarba?«
»Still! Weißt Du nicht, daß kein Name genannt werden darf. Sie hat es aus der Hauptstadt telegraphirt.«
»Gewiß?«
»Gewiß!«
»So gibt es für uns nichts Anderes als wir müssen gehorchen. Aber wie?«
»Wer sind die Leute?«
»Der Direktor und der Oberarzt aus dem Irrenhause.«
»Hm, vornehme und gelehrte Leute! Sollen wir List oder Gewalt gebrauchen?«
»Beides, wenn es nothwendig ist, vorerst jedoch nur List. Ich habe Ihnen zwar versprechen müssen, sie so schnell wie möglich über die Grenze zu bringen, jetzt aber gibt es keine Wahl. Wie viele seid Ihr dazu?«
»Drei.«
»Ist wenig, wird aber reichen, wenn nichts Außerordentliches dazwischen kommt.«
»Sind sie bewaffnet?«
»Nein, soviel ich bemerkt habe. Sie essen jetzt. In zehn Minuten geht es weiter. Eilt Ihr voraus. Ich fahre bis an das Holzkreuz droben im Hochwalde. Dort werde ich es so einzurichten wissen, daß wir umkippen und der Wagen sich gemüthlich an die Seite des Hohlwegs legt. Das Uebrige ist dann Eure Sache.«
»Gut. Also vorwärts!«
Der Zigeuner schritt davon.
Drinnen in der Gaststube saßen die beiden Flüchtlinge bei den Resten ihres sehr eilig abgehaltenen Mahls. Die Wirthin hatte sich zu ihnen gesetzt, um sie dabei zu unterhalten.
»Also Sie denken, daß man am Tage nichts zu befürchten braucht?« frug der dicke Direktor, das gepflogene Gespräch fortsetzend.
»Nein, mein sehr verehrter Herr,« antwortete sie. »Ein Schmuggler ist noch lange kein Straßenräuber. Sogar bei Nacht könnte man ganz sicher reisen, wenn man sich nur hütet, ihnen partout in den Weg kommen zu wollen. Nur für den Fall wäre eine Gefahr vorhanden, wenn man zwischen sie und die Süderländer geriethe.«
»Wie so? Die Süderländer, wen meinen Sie?«
»Die Schmuggler von drüben. Beide treiben ganz dasselbe Geschäft, aber es herrscht Feindschaft zwischen hüben und drüben, weshalb, das kann ich allerdings nicht sagen, und wenn sie einmal an einander gerathen, dann geht es stets auf Tod und Leben. Erst kürzlich haben sie sich ein Treffen geleistet, bei welchem die von drüben mehrere Todte lassen mußten.«
»Schauderhaft!« meinte der Direktor, sich den Schmeerbauch mit einer Miene betastend, als wolle er untersuchen, ob auch er mit zu diesen Todten gehöre. »Hier muß doch die Behörde einschreiten!«
»Die Behörde? Ja, eine Behörde gibt es, und Grenzer und Soldaten gibt es auch, aber man hat noch niemals gehört, daß auch nur Einer von ihnen einmal einem Pascher begegnet wäre. Es ist verwunderlich.«
»Die Leute müssen ja förmlich organisirt sein und einen sehr listigen Anführer besitzen.«
»Das sagt man, aber es kennt ihn Niemand, und es geht Alles so glatt und geheim, daß man von keinem einzigen Menschen mit Sicherheit sagen könnte, daß er zu den Paschern gehört. Aber wollen die Herren wirklich fort?«
Die beiden Männer hatten sich erhoben.
»Ja; wir haben Eile und bitten um Ihre Rechnung.«
Diese wurde aufgestellt und bezahlt; dann stiegen sie ein und der Wagen rollte durch das Städtchen weiter, hinaus in den Wald.
Eine Zeit lang saßen die Flüchtlinge einander schweigsam gegenüber, bis der Oberarzt die Stille unterbrach.
»Kennen Sie den Geheimerath, an welchen wir gewiesen sind?«
»Persönlich nicht; ich war ja überhaupt noch nie in Süderland. Aber sein Ruf ist wohl auch Ihnen nicht ganz fremd. Er ist einer von den wenigen Beamten der dortigen Regierung, welchen man einen Einfluß auf den König zutrauen darf; wir sind
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