Scepter und Hammer
es Dir später erklären. Ah! Was ist das für ein Gespenst?«
Tirban, der Waldhüter kam am Waldessaume herbeigeschlichen. Kaum hatte Zarba ihn erblickt, so rief sie ihn herbei. Er kam und begrüßte sie mit einer Unterwürfigkeit, als ob er eine Königin vor sich habe.
»Kam die Depesche nach Waldenberg?« frug sie ihn.
»Ja.«
»Habt Ihr sie?«
»Wir haben sie.«
»In der Tannenschlucht?«
»Du hast es so befohlen.«
»Wer bewacht sie?«
»Horgy und Tschemba.«
Sie wandte sich an den Schmiedegesellen und seinen Bruder:
»Thomas, wir werden uns für eine halbe Stunde entfernen und übergeben Euch diese Dame!«
»Schön!« antwortete der Angeredete. »Ich werde sie pewachen und pewahren, als ob sie meine peste Ampalema wäre!«
»Bleibe hier!« bat Nurwan Pascha seine Tochter.
Sie nickte zustimmend.
»Darf Bill nicht auch bleiben, Papa?«
Die Zigeunerin hatte die Frage vernommen.
»Er darf bleiben!« entschied sie.
Das Erlebte hatte so mächtig auf die Anwesenden eingewirkt, daß sich Alle wie halb im Traume befanden. Sie folgte Tirban, welcher voranschritt.
Der Weg ging zunächst nach seiner Hütte, dann an dieser vorüber in den dichten Wald hinein, bis sich vor ihnen eine tiefe, finstere Schlucht öffnete, deren Seiten mit riesigen Tannen besetzt waren. Das war die Tannenschlucht. Sie war beinahe eine Viertelstunde lang und schien seit Jahren von keinem menschlichen Fuße betreten worden zu sein. Ihr Hintergrund wurde von wirr über einander gethürmten Felsen gebildet. Tirban schob einen derselben mit Leichtigkeit bei Seite; das Kreischen verrosteter Angeln ertönte und es wurde eine Öffnung sichtbar, welche groß genug war, zwei Männer neben einander hindurch zu lassen.
Drin war es dunkel, aber eine angebrannte Fackel verbreitete bald das gehörige Licht. Auf einer Streu hatten zwei Männer gelegen, welche bei dem Eintritte der Kommenden sich erhoben. Es waren die beiden Wächter Horgy und Tschemba, welche ihre Vajdzina mit größter Ehrerbietung grüßten.
»Alles in Ordnung?« frug diese.
»Alles!«
»So bringt die Gefangenen!«
Im hinteren Theile des Raumes wurde eine Thür geöffnet, hinter welcher der Direktor mit dem Oberarzte hervortrat. Beim Erblicken der Anwesenden erbleichten Beide; dem dicken Direktor schlotterten die Kniee; er wäre zusammengebrochen, wenn er sich nicht an die Wand gelehnt hätte.
Zarba trat auf ihn zu.
»Hund, welcher den zerreißt, auf welchen er gehetzt wird, Du hast nur noch eine Minute zu leben, wenn Du nicht offen beichtest. Tirban, nimm die Pistolen!«
Der Alte griff in eine Vertiefung und brachte die Waffen hervor.
Zarba fuhr fort:
»Hier der Herr Doktor Brandauer wird Euch fragen; bei der geringsten Unwahrheit drückst Du los, Tirban!«
Der Direktor stöhnte vor Entsetzen. Max, welcher sicher annahm, daß es Zarba mit ihrer Drohung blos darum zu thun war, die beiden Aerzte einzuschüchtern, begann: »Ich wiederhole, daß ich bei der geringsten Lüge winken werde; mehr bedarf es nicht zu einer Kugel. Herr Direktor, Sie kennen einen Herrn Aloys Penentrier?«
»Ja.«
»Er besuchte Ihre Anstalt sehr oft?«
»Ja.«
»Im Auftrage des Herzogs von Raumburg?«
»So ist es.«
»Er hatte Ihnen die Befehle desselben zu bringen?«
»Denen ich natürlich gehorchen mußte,« versuchte er sich zu entschuldigen.
»Ich theile diese Ansicht natürlich nicht. Sie konstatiren hiermit gewisse Fälle, in denen geistig vollkommen Gesunde als wahnsinnig eingeliefert und behandelt wurden?«
»Ja,« klang es nach einigem Zögern.
»Ebenso gestehen Sie Fälle ein, in denen Sie angehalten waren, gefürchtete Internirte durch Tödtung zu entfernen?«
»Ja.«
»Ihr Oberarzt war ausnahmslos Ihr Mithelfer?«
»Ja.«
»Gestehen Sie das ein?« wandte sich Max an diesen.
Er warf dem Direktor einen fürchterlichen Blick zu, schielte nach der bereitgehaltenen Pistole und antwortete: »Bei solchen Gewaltmitteln kann ich nicht anders als ja sagen.«
»Gut, so sind wir fertig. Wo sind die Effekten dieser Männer?«
»Hier,« antwortete Tirban, indem er zwei Koffer herbeischob.
»Untersuchen!«
Sie wurden geöffnet, enthielten aber nichts als Wäsche und Toilettengegenstände. Daher ließ Max die Kleidung der Gefangenen untersuchen. Jetzt kam das Reisegeld und außer demselben ein Portefeuille zum Vorschein, welches einige versiegelte Briefe ohne Adresse enthielt. Max erbrach sie, und kaum hatte er einen Blick auf den ersten geworfen, so griff er in die Tasche und
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