Scepter und Hammer
zog sein Notizbuch hervor. Er hatte ganz dieselbe Geheimschrift erkannt, zu welcher er aus der Bibliothek des Herzogs von Raumburg sich den Schlüssel mitgenommen hatte. Er trat an das Tageslicht und begann zu dechiffriren.
Es dauerte lange, ehe er fertig war. Die Andern ahnten, daß er etwas sehr Wichtiges gefunden haben müsse, und vermieden, alle Störung. Als er geendet hatte, steckte er die Briefe zu sich und überlegte einige Zeit.
»Ich werde über diesen Fund später berichten. Können die Gefangenen für diese Nacht noch hier bleiben?«
»Ja,« entschied Zarba.
»So schließt sie wieder ein! Jetzt vorerst wieder zurück zum Kruge, wo wir versuchen wollen, die Räthsel zu lösen, vor welche wir uns heute gestellt sehen.«
»Halt!« gebot Zarba. »Ehe wir diesen Ort verlassen, verlange ich von Euch Allen den Schwur, ihn niemals zu verrathen.«
»Ich schwöre es gern,« antwortete Max.
»Ich auch,« stimmten die Andern bei.
Der Rückweg wurde angetreten. Tirban blieb in seiner Hütte; die Uebrigen begaben sich nach dem Kruge. Als sie dort angekommen waren, näherte sich Thomas Schubert seinem jungen Herrn.
»Herr Doktor, darf ich einmal ein Pischen neugierig sein?«
»Nun?«
»Warum ist der Herr Hauptmann von Wallroth zurückgeplieben und nicht lieper auch mitgekommen?«
»Der König erlaubte es nicht. Er hat ihn zum Major avancirt und gewünscht, ihn für jetzt im Schlosse zu behalten.«
»Donnerwetter, da pleipe ich ein anderes Mal auch zu Hause!«
Er trat befriedigt zu seinem Bruder. Dieser verwandte kein Auge von Nurwan Pascha, welcher sich wieder zu seiner Tochter gesetzt hatte, und drehte sich endlich ärgerlich um.
»Thomas, ich wette doch mit Dir, daß dieser Mann der schwarze Kapitän ist. Je länger ich ihn mir betrachte, desto gewisser werde ich!«
»Ein Seeräuper? Dann hat er dieses Mädchen wohl auch aus der See geraupt und giept sie nun für seine Tochter aus. Darüper zerpreche ich mir aper den Kopf nicht; lieper will ich einmal nachdenken, wie ich es anfange, daß mein junger Herr auf den glücklichen Gedanken kommt, mir eine von seinen Cupa oder Hapanna anzupieten?« – – –
Zwölftes Kapitel
Ein Rückblick
Es war zu Siut in Egypten. Die glühende Mittagssonne verbreitete eine drückende Schwüle über die Stadt, in deren engen Straßen selten der eilende Schritt eines Menschen, der kurze Trab eines Esels oder das Schnauben eines Kameels zu hören war. Sprühende Gluth vibrirte über den Wassern des Nils, und kein einsamer Kahn, keine Barke war auf den Wogen zu sehen. Einige Sandals lagen im Hafen, aber von der Besatzung war kein Kopf, kein Glied zu sehen, da sich die Leute vor der Hitze an das Ufer zurückgezogen hatten, um sich in dem kühlen Raume eines Kawuah (Kaffeewirthes) zu erholen.
Am Ufer des Flusses stand ein großes Gebäude, von welchem allerdings nicht viel zu erkennen war, da das ganze zu ihm gehörige Areal von einer sehr hohen Backsteinmauer umgeben wurde. Diese Letztere umschloß zunächst einen Garten, der mit großer Kunst und Sorgfalt angelegt war; dann starrten Einem die vier fensterlosen Mauern des ein Rechteck bildenden Gebäudes entgegen. Das durch die Mauer gebrochene Thor lag dem Flusse zu, und ihm gegenüber öffnete sich der Eingang des Gebäudes, welches mit seinen vier Seiten einen mit Säulengängen eingefaßten Hof umschloß. Stieg man von diesem Hofe aus eine breite aus dem Syenit des Dschebel Mokkhadam gebaute Treppe empor, so gelangte man in ein weites Gemach, in welchem eine sehr angenehme und erquickende Kühle herrschte. Dieselbe wurde hervorgebracht durch die Ausdünstung des Wassers in den vielen porösen Thongefäßen, welche in zahlreich angebrachten Maueröffnungen standen. Der Boden war mit einem einzigen großen persischen Teppich von wundervoller Arbeit und Färbung belegt, und auf einer erhöhten Estrade stand ein mit rothem nubischem Sammet überzogener Divan, auf welchem ein Mann in jener Stellung (mit untergeschlagenen Beinen) Platz genommen hatte, welche der Türke Râhât otturmâk, d.i. Ruhe der Glieder nennt.
Er mochte achtundvierzig oder neunundvierzig Jahre zählen, aber der Ausdruck von Betrübniß, welcher auf seinen edlen, männlich-schönen Zügen lag, ließ ihn um Einiges älter erscheinen. Der sicherste Werthmesser für den Reichthum eines Mannes pflegt in Egypten die Pfeife zu sein. Diesen Maßstab angelegt, mußte der Reichthum dieses Mannes ein sehr bedeutender genannt werden, denn der Kopf der Pfeife,
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