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Scepter und Hammer

Scepter und Hammer

Titel: Scepter und Hammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zoll oberhalb der Stelle, wo der erstere auf der letzteren ruhte, stak ein tief eingeschlagener Nagel, und an ihm hing ein schimmernder Gegenstand. Katombo griff hinab und nahm ihn empor. Es war ein kleines Stück Goldschnur, wie man sie zur Verzierung von Jacken gebraucht.
    Indem er lautlos dastand und nachdenklich die beiden Gegenstände betrachtete, klang es hinter ihm:
    »Hast Du eine Spur?«
    Er drehte sich um und stand hart vor Ayescha, welche aufgestanden und herbeigetreten war.
    »Ich weiß es noch nicht. Hast Du oder Sobeïde jemals Waffen mit ihm Kiosk gehabt?«
    »Nein.«
    »Oder ein Anderer?«
    »Nein. Dieser Kiosk war blos für uns Beide, und Niemand konnte ihn öffnen als wir.«
    »Aber Dein Vater war hier?«
    »Nur einmal als Sobeïde fort war.«
    »Du warst dabei?«
    »Ja.«
    »Hatte er einen Dolch bei sich?«
    »Nein.«
    »So stammt diese Spitze von einem Fremden! Trägt einer unserer Diener ein Kleid, an welchem sich eine solche Schnur befindet?«
    Sie nahm das Stück und hielt es nahe an den Schleier, doch schien sie es durch das Gewebe hindurch nicht genau erkennen zu können, denn sie drehte sich ein wenig abseit, öffnete den Schleier und sah nun die Goldschnur genau und ziemlich lange Zeit an.
    Wollte sie Katombo Gelegenheit geben, ihre Züge zu sehen? War dies nicht der Fall, so hätte sie sich weiter fortwenden müssen, denn der junge Mann erblickte das unvergleichliche Profil eines Angesichtes, dessen Schönheit ihm das Blut siedend durch die Adern pulsiren machte. Was war Zarba gegen diese köstliche orientalische Perle, Zarba, die ihn verlassen und verrathen und dann sich selbst verloren hatte! Was seit jenen schweren Tagen tief in seinem Innern vergraben gewesen war, in diesem Augenblick sprengte es seine Hülle und bäumte sich mit Riesengewalt empor, hochauflodernd wie ein Feuer, welches durch den Zutritt der Luft neuen Raum und neue Bahnen gewinnt.
    Da schloß sie den Schleier und wandte sich ihm wieder zu.
    »Es trägt Niemand in unserem Hause solche Schnur.«
    Er senkte den Blick zur Erde; er brauchte Zeit, um seine Ruhe, seine Fassung wieder zu gewinnen. Da plötzlich leuchtete sein Auge auf, und es ging hell über sein intelligentes Gesicht.
    »Ich habs, ich habs! Allah kerihm, Gott ist gnädig!«
    »Was hast Du? Weißt Du, wo Sobeïde sich befindet und wer sie geraubt hat?«
    Sie war vor Erregung schnell zu ihm herangetreten und legte ihm das Händchen auf die Schulter. Er zuckte unter dieser Berührung zusammen wie unter einem kräftigen Faustschlage; ihr Gesicht befand sich nahe dem seinigen; er fühlte den linden würzigen Athem ihres Mundes – er konnte nicht anders, er legte die Linke um sie und öffnete mit der Rechten ihren Schleier.
    »Ayescha!«
    »Katombo, was wagst Du, was thust Du!« flüsterte sie, erschrocken, verwirrt und beseligt zugleich.
    »Ayescha, Licht meiner Augen, Stern meiner Seele, Sonne meines Lebens, darf ich Dich ohne Schleier sehen?«
    »Nein – ja – nein!« antwortete sie, beim letzten Worte die Hand erhebend, um sich wieder zu verhüllen.
    Er wehrte ihr diese Bewegung.
    »O, laß mich den Strahl Deiner Augen und den Glanz Deines Angesichtes trinken, Du Holde, Du Reine, Du Unvergleichliche. Laß mich Deine Lippen küssen und dann sterben vor Wonne, vor Entzücken und vor Seligkeit!«
    Er bog sich zu ihr nieder und berührte mit seinem Munde zweimal, dreimal ihre Lippen, ohne daß sie es ihm wehrte. Ihr Angesicht erglühte, aber sie griff weder zum Schleier noch suchte sie sich seinem Arme zu entziehen.
    »Du bist kühn, Katombo, aber ich liebe Dich!« klang es leise und langsam zwischen ihren wie Perlen schimmernden Zähnen hervor.
    »Und Du stehst so hoch über mir, wie der Himmel über der Erde, aber ich liebe Dich. Willst Du herabsteigen zu mir, dem Armen, dem Kleinen, und mich beglücken mit einer Seligkeit, wie sie in Allahs Himmeln nicht zu finden ist?«
    »Ich will, obgleich Du Allah lästerst mit Deinen Worten,« erwiderte sie, ihr Köpfchen fest und innig an seine Brust schmiegend.
    »Du willst? Du willst!« jauchzte er. »O, dann bin ich stark und mächtig; dann vermag ich Alles, selbst das Schwerste durch Dich! Dann werde ich Dir auch Deine Schwester wiederbringen!«
    »Glaubst Du? Hast Du wirklich hier Spuren von ihr gefunden?«
    »Ich weiß es noch nicht sicher, aber ich werde mir sofort die Gewißheit holen. Leb wohl, Ayescha, mein Ein und Alles! Ich werde heut, wenn der Abendstern im Zenithe steht, wieder hier sein und auf Dich

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