Scepter und Hammer
Ich will sehen, ob sie in der Nähe sind, und ihnen ein Zeichen geben, welches sie kennen.«
Er suchte eine Rhababa 26 und fand sie. Sie an den Mund setzend, entlockte er ihr einige schrille, weithin schallende Töne. Dies wiederholte er einige Male, und bald zeigte sich der Erfolg: es kamen drei Gestalten herbei, welche in der Nähe herumgeschlichen waren, um zu sehen, ob die Oase wieder sicher sei.
Er unterrichtete sie von der Lage der Dinge. Sie stillten erst den empfindlichen Hunger und Durst, welchen sie empfanden, und beriethen dann, was zu beginnen sei. Alle vier waren noch Jünglinge. Sie hatten nicht für Weib und Kind zu kämpfen gehabt und also die Einzigen gewesen, welche geflohen waren. Ganz derselbe Umstand hielt sie auch ab, sich dadurch in neue Gefahr zu begeben, daß sie den Janitscharen nachjagten, was sie jedenfalls gethan hätten, wenn sich nähere Verwandte von ihnen unter den Gefangenen befunden hätten. Der Sohn der Wüste als geborener Räuber und Krieger fürchtet sich nicht, ganz allein einer großen feindlichen Karawane zu folgen, um den Augenblick abzuwarten, welcher ihm für seine Pläne günstig erscheint. Und dann ist kein Fuchs so listig, kein Panther so blutdürstig und kein Löwe so todesmuthig wie er.
Die Vier beschlossen also zu bleiben, sich der Pflege des Kranken und der Bewachung der Oase zu widmen und dann später zu sehen was zu thun sei.
Noch während der Nacht begruben sie die Todten – allerdings nur die Ihrigen, welche unter dem Sande der Wüste eine Ruhestätte fanden, während die gefallenen Janitscharen weit hinausgetragen und den wilden Thieren zum Fraße hingestellt wurden.
Einige Monate später zog eine kleine Kaffila ein in das große Karawanserei zu Bulakh, der Vorstadt von Kairo. Sie bestand aus einem Weibe mit einem Kinde und fünf Männern. Der Eine von den Letzteren sah sehr bleich aus, aber in seinem dunklen Auge loderte ein Feuer, welches verrieth, daß er zwar vielleicht krank gewesen sei, doch alle Kräfte seines hohen starken Körpers wieder besitze.
Er übergab Weib und Kind seinen vier Begleitern und schritt nach der Straße el Kantareb, wo er vor einem palastähnlichen Hause hielt, an dessen Thür ein wohlbewaffneter Neger als Schildwache stand.
»Wem gehört dieses Haus?« frug er ihn.
»Du mußt hier fremd sein, Sihdi, daß Du dieses nicht weißt. Es gehört dem Khedive, Gott erhalte ihn, und drin wohnt stets der Oberkadi, welchen der Großherr, Gott segne sein Antlitz, jährlich sendet, um Recht zu hegen zwischen ihm und dem Vizekönig.«
»Der Tag des Wechsels ist vorüber. Wie heißt der neue Kadi?«
»Der neue Kadi-Baschi, willst Du sagen! Er hat einen Namen so lang wie der Nil; wir aber nennen ihn kurz Abu-Mossalem.«
»Ist er daheim?«
»Er sitzt in seinem Divan, denn es ist die Stunde, in der jeder Gläubige mit ihm reden darf, um von ihm Recht zu erflehen. Willst Du zu ihm?«
»Ja.«
»So gehe, und Allah gebe Deinem Worte Segen!«
Katombo trat ein und stieg eine Treppe empor, deren Stufen mit kostbaren Teppichen aus Smyrna belegt war. Droben stand ein Verschnittener, in ein reiches Gewand gekleidet. Sein Handjar glänzte von Gold und seine Pistolen waren reich mit Silber ausgelegt.
»Was willst Du?« herrschte er den Kommenden in den hohen Fallsettönen an, welche den Kastraten eigenthümlich sind.
»Ich will mit dem Kadi-Baschi reden.«
»Wer bist Du?«
»Das werde ich ihm selbst sagen.«
»Du hast es mir zu sagen, denn ohne meine Erlaubniß darfst Du nicht zu ihm.«
»Wo ist sein Divan?«
»Dort!«
Er zeigte mit der Linken nach einer Thür, während er ihm die geöffnete Rechte entgegenhielt als deutlichen Beweis, daß er nur Diejenigen einlasse, welche bereit waren, diese Erlaubniß für ein Bakschisch zu erkaufen.
»Du willst ein Bakschisch?« frug Katombo.
»Weißt Du nicht, daß eine offene Hand auch eine offene Thür macht?«
»Und weißt Du nicht, daß der Prophet sagt: ›Die gierige Hand eines Dieners schadet dem Herrn. Wehe dem, der die Gerechtigkeit gegen Gold und Silber verkauft!‹ Du wirst von mir nichts erhalten.«
»So ist der Kadi-Baschi für Dich nicht zu sprechen.«
»Er ist es; das werde ich Dir beweisen.«
Er holte aus und versetzte dem Menschen einen so kräftigen Schlag in das Gesicht, daß dieser nach rückwärts taumelte und zur Erde stürzte. Im Nu aber sprang er wieder auf und zog den Handjar, um sich mit demselben auf Katombo zu werfen. Dieser aber faßte ihn mit der Linken bei der
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