Scepter und Hammer
riesige Schlange wand sie sich nach Osten hin in die Wüste hinaus, und bald war ihr Kopf und dann auch ihr Schwanz verschwunden. Ayescha befand sich mit dem Verwundeten und ihrem Kinde allein in der weiten Einsamkeit.
Sie kniete nieder und betete, nicht wie eine Muhammedanerin, sondern wie eine Christin zu Isa Ben Marryam, dem Gottessohne, der in die Welt gekommen ist um zu rufen: »Kommet her, Alle, die Ihr mühselig und beladen seid; ich will Euch erquicken und erretten!«
Dann zog sie den Körper Katombos bis an den Quell, um die klaffende Wunde zu waschen. Bei dieser Bemühung kehrte ihm das Bewußtsein zurück. Er schlug die Augen auf und erkannte sein Weib.
»Ayescha!« hauchte er.
»Hier bin ich, mein Geliebter!«
»Wo ist Almah, unser Kind?«
»Hier, sie ist gerettet.«
»Und die Andern?«
»Gefangen und fortgeführt.«
»Und Sobeïde?«
»Ist mitgefangen.«
»Omar und Dein Vater?«
»Todt! Hier liegen sie.«
Er wandte langsam das verwundete Haupt. Sein Auge fiel auf die beiden Leichen; es sah auch die große Zahl der umherliegenden Todten; er schloß es wieder. Die Ohnmacht nahm ihn gefangen.
Die Frauen des Orientes werden nur für den zukünftigen Mann erzogen, und da der Orientale vorzugsweise Krieger ist und unter der Möglichkeit steht, öfters verwundet zu werden, so gibt es selten ein Weib, welche nicht mit der Behandlung der Wunden bekannt ist. Auch Ayescha wußte sehr wohl, was für einen solchen Fall zu thun sei. Sie suchte unter dem Grün nach einer schmerzstillenden Pflanze und fand sie auch. Nachdem sie eine Menge davon gesammelt hatte, zerdrückte sie dieselben, ließ den Saft in die Wunde träufeln, legte die ausgedrückten Pflanzen auf und verband dann den Kopf.
Diese Behandlung schien dem Kranken wohlzuthun; er fiel in einen tiefen Schlaf, welcher ihn erst am nächsten Morgen wieder aus seinen wohlthätigen Armen entließ. Die Scene, welche gestern sein mattes Auge erblickt hatte, war noch dieselbe. Er mußte sich erst besinnen.
»Ist Alles todt?« frug er dann.
»Nur Einige sind entkommen.«
»Warum verschonte man mich und Dich?«
»Deines Ranges wegen.«
»Und Sobeïde – warum nahm man sie mit fort?«
»Sie ist für das Harem des Vizekönigs bestimmt.«
»Allah inhal, Gott verdamme ihn! Pflege mich und gib mir fleißig Wasser und Pflanzensaft, damit ich gesund werde und sie Alle an ihm rächen kann.«
»Da wirst Du viele Wochen warten können!«
»Gott ist groß und allmächtig. Er kann Alles. Und mein Körper ist stark. Fürchtest Du Dich allein zu sein?«
»ich fürchte mich vor den Todten, und in dieser Nacht waren die Hyänen und Schakals hier in der Nähe. Werden die Entflohenen zurückkehren?«
»Sie werden kommen wenn sie merken, daß sich die Mörder entfernt haben.«
Er schlummerte wieder ein.
Ayescha suchte Kräuter für ihn und abgefallene Datteln für sich und ihre Tochter. So verging der Tag; der Abend brach herein, und ihm folgte die Nacht. Die Thiere, welche die Janitscharen zurückgelassen, hatten für sich selbst gesorgt. Wasser und Datteln nebst Strauchwerk gab es für sie genug.
Die Nähe der Todten, welche in Folge der Hitze bereits einen höchst widerwärtigen Geruch ausströmten, war auch in anderer Beziehung für Ayescha eine unheimliche, wenn nicht gefährliche. Der Geruch lockte die Hyänen, Schakale und Fenneks an, welche sicherlich heute Nacht ihr schauriges Mahl gehalten hätten, wenn das Weib mit dem Verwundeten allein geblieben wäre. Gegen Mitternacht aber huschte ein Schatten herbei, bei dessen Nahen Ayescha anfangs erschrak. Es war einer der entflohenen Mameluken.
Er suchte unter den Leichen herum und nahte sich auch der Stelle, an welcher sich die Lebenden befanden. Hier stutzte er, wurde aber durch den Zuruf Ayeschas beruhigt.
»Allah akbar, Gott ist groß! Hier sind noch Lebende? Hat Dich der Janitschar übersehen?«
»Nein. Er hat mir die Freiheit freiwillig gelassen.«
»Und Katombo getödtet?«
»Er ist nur verwundet. Ich und mein Kind sind unbeschädigt.«
»Wo sind die andern Frauen und Kinder?«
»Der Aga hat sie mitgenommen. Er wird die Frauen an Harems und die Kinder an Sklavenhändler verkaufen.«
»Allah incharliek, Gott verbrenne ihn! Hätte ich ein Weib, so jagte ich ihm nach, denn hier sind noch Pferde und Kameele. Aber ich habe die Todten gezählt. Es fehlen drei der Unsrigen. Sind sie gefangen?«
»Nein.«
»So sind sie auch entkommen und werden zurückkehren, sobald sie bemerken, daß er fort ist.
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