Scepter und Hammer
Recht gehabt hatte.
»Alle Teufel, der Kerl schießt gut!« fluchte der Segelmeister. »Aber in zwei Minuten werden wir Seite an Seite mit ihm sein, und dann wollen wir ihm zeigen, daß auch wir einige Kugeln übrig haben!«
»Wird uns nichts helfen! Willst Du, daß wir nicht an die große Raa zu hängen kommen, so lege bei und kapitulire!«
»Kapituliren? Uns übergeben? Bist Du wahnsinnig!«
»Nein; ich weiß vielmehr sehr gut, was ich Dir rathe.«
»Aber das weißt Du nicht, daß ein Pirat sich lieber in den Grund schießen als aufhängen läßt.«
»Auch dies weiß ich. Aber wenn Du es mir übergibst, mit Denen da drüben zu verhandeln, so sollst Du mich erdolchen, wenn sie uns nicht unbehelligt segeln lassen.«
»Du bist allerdings verrückt, und jetzt ist keine Zeit zum Sprechen mehr. Suche Dir einen Platz zum Fechten oder zum Verstecken, ganz wie Du willst!«
Er wandte sich ab. Der ›Selim‹ hatte den ›Tiger‹ um einige Schiffslängen überholt und gab nochmals das Zeichen zum Beilegen. Statt diesem Gebote zu folgen, hielt die Feluke jetzt scharf zu ihm hinüber, um unter seinen Bord zu kommen. Der Befehlshaber des ›Selim‹ merkte dies und suchte es zu vereiteln; sein stattliches Fahrzeug schwankte unter dem Drucke einer vollen Breitseite, welche herüber donnerte und so gut gezielt war, daß die Vollkugeln krachend in das Plankenwerk der Feluke schlugen und die Kartätschen längs ihres Decks hinfegten. Diese gefährlichen Geschosse und die von ihnen abgerissenen Mastensplitter richteten eine schreckliche Verheerung an. Dieser eine Augenblick hatte genügt, die meisten der auf Deck Befindlichen zu tödten oder zu verwunden, und an Bord des ›Selim‹ erscholl ein vieltöniges Jubelgeschrei.
Eine Kartätschenkugel hatte auch den Segelmeister getroffen; er stürzte todt zu den Füßen Katombos nieder. Dieser hatte keine Zeit, sich um ihn zu bekümmern; er sprang zum Flaggenstocke und zog das weiße Zeichen empor. In diesem Augenblicke kamen Diejenigen, welche sich noch unter Deck befunden hatten, herauf. Sie sahen, was Katombo machte, sahen den Segelmeister getödtet und den besinnungslosen Kapitän schwer verwundet am Boden liegen und drangen sofort nach dem Flaggenstocke vor.
»Was thust Du, Hund!« brüllte ein langer Araber, indem er den Handschar erhob. »Du sollst Deinen Verrath mit dem Tode büßen!«
Katombo blickte ihnen ruhig entgegen.
»Zurück!« donnerte er, »sonst seid Ihr Alle verloren. Der ›Selim‹ wird Euch in fünf Minuten schwimmen lassen, wenn Ihr Euch nicht ergebt!«
»Und wenn wir uns ergeben, so werden wir gefangen!«
»Nein. Ich kenne den ›Selim‹, seinen Kapitän und seine Mannen. Man wird Euch nicht das Geringste zu Leide thun; das schwöre ich Euch bei dem Barte des Propheten und bei Allah, den Ihr anbetet.«
»Sagst Du die Wahrheit?«
»Die vollständige.«
»So schwöre es bei Deinem Barte und denjenigen Deiner Väter!«
»Ich schwöre es!«
»So glauben wir Dir. Der Steuermann mag das Kommando übernehmen.«
»Nein, das werde ich selbst führen, wenn ich Euch wirklich von dem schmachvollen Tode erretten soll.«
»So thue es; aber merke Dir, daß wir Dich tödten werden, wenn Du nicht im Stande bist, Dein Versprechen zu halten.«
»Gut. Geht an die Brassen. Herab mit den Leinen. Wir legen bei!«
Seine Befehle erklangen voll und hell über Deck und wurden mit Schnelligkeit ausgeführt. Die Leute blickten jetzt doch ein wenig verwundert zu ihm hin, denn die Art und Weise, wie er die Segel zum Beilegen fallen ließ, war so kühn, wie es vor ihm auf dem »Tiger« noch keiner gewagt hatte.
Die Schüsse hatten natürlich auch Ayescha aufgeschreckt; die Angst trieb sie, mit Almah an Deck zu kommen. Katombo erblickte die tief Verschleierte, und da ihr keine Salve mehr Gefahr bringen konnte, winkte er sie zu sich.
»Katombo, werden wir getödtet oder gefangen?« frug sie in höchster Angst.
»Keines von beiden, mein liebes Weib.«
»Wer ist dieser Feind? Ist das nicht die türkische Flagge?«
»Ja. Siehe Dir das Schiff einmal genauer an! Kennst Du es vielleicht noch?«
Sie hatte vor lauter Angst das Fahrzeug noch gar nicht genau betrachtet; jetzt aber warf sie einen schärferen Blick hinüber.
»Ist es möglich? Dein Selim!«
»Ja. Und dort oben steht Kapudan Masur-Bei, der beste meiner Schüler. Er ist mir treu ergeben und ein so tüchtiger Mann, daß ihm der neue Kapudan-Pascha den Befehl über den ›Selim‹ gelassen hat.«
»Und wer ist
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