Scepter und Hammer
geschriebenes Billet des Königs, in welchem der erstere von dem letzteren in den freundlichsten Ausdrücken zu einer Spazierfahrt eingeladen wurde.
»Sagen Sie Majestät, daß ich sofort erscheinen werde.«
Er kleidete sich in große Uniform, ließ sich über den Fluß rudern und begab sich nach dem Schlosse, wo er bereits auf der Treppe von dem Könige empfangen wurde, dessen Mienen nichts als Wohlwollen verriethen.
»Guten Morgen, Durchlaucht! Störte ich Sie in wichtigen Geschäften?«
»Ich bin zu jeder Zeit zur Verfügung, Majestät!«
»Der Morgen ist schön, ich fühlte mich etwas angegriffen, und daher entschloß ich mich zu einem kleinen Ausfluge. Wollen Sie sich anschließen?«
»Die Erlaubniß dazu ist mir eine werthvolle Auszeichnung.«
»Frühstückten Sie schon?«
»Ja.«
»So können wir sofort fahren. Kommen Sie!«
Er nahm ihn beim Arme und schritt mit ihm nach dem Schloßhofe, wo bereits sechs Rappen vor der glänzenden Equipage ungeduldig mit den Hufen scharrten. Sie stiegen ein.
»Vorwärts!«
Der Kutscher erhob nur die Hand; die Pferde zogen an; der Wagen rollte im Schritte durch die Stadt und dann wie im Fluge die Landstraße dahin. Die beiden Männer verhielten sich längere Zeit schweigend; in dem Innern des Herzogs machte sich nach und nach ein gewisses Bedenken geltend. Diese Straße führte nach der Irrenanstalt, in welcher jene unliebsame Episode gespielt hatte, welche zwischen ihm und dem Könige noch nicht erledigt war. Sollte diese Erledigung heut vorgenommen werden? Er mußte sich Gewißheit verschaffen und brach darum das Schweigen: »Darf ich fragen, Majestät, wie weit Sie die Spazierfahrt auszudehnen gedenken?«
»So weit, bis die Rappen ermüdet sind. Sie haben sehr lange im Stalle gestanden und sollen sich einmal ausgehen. Oder wünschen Sie bald umzukehren?«
»Ich habe noch am Vormittage wichtige Konferenzen.«
»Die müssen Sie verschieben, Durchlaucht; denn auch ich habe Einiges auf dem Herzen, was gewiß von nicht geringerer Wichtigkeit ist. Ich bedarf Ihres Rathes.«
»Meine schwachen Kräfte sind zur Disposition, Majestät.«
»Sie kennen mein unbegrenztes Vertrauen zu Ihnen; es ist die Veranlassung, daß ich nicht überall selbst Einblick nahm und daher in einigen Punkten weniger au fait bin als Sie. Gerade jetzt wieder bietet sich Gelegenheit, Sie um Ihren Unterricht zu ersuchen. Wie ist unser Verhältniß zu Süderland?«
»Es ist ein in jeder Beziehung freundschaftliches.«
»In Wirklichkeit?«
»In Wirklichkeit!«
»Aber man hört doch von heimlichen Truppenzusammenziehungen, welche an der Grenze stattfinden sollen?«
»Manöverübungen, Majestät.«
»Ah, so! Sind Sie unterrichtet über die Intention, welche Nurwan-Pascha nach Süderland geführt hat?«
»Gesundheitsrücksichten.«
»Man sagt, daß er eine Marinecharge übernehmen soll?«
»Der? Ein Türke, ein Muselmann?«
»Er soll ein Christ sein.«
»Der Sultan gibt seinen Kapudan-Pascha nicht her.«
»Und wenn er dies doch und dennoch thut?«
»Unmöglich! Aber ich werde mich sofort erkundigen.«
»Prinzeß Asta sagte mir, daß sie binnen drei Tagen Norland verlassen will.«
»Leider!«
»Diese ebenso geistreiche wie gemüthvolle junge Dame ist mir lieb geworden; ich werde mich ein wenig einsam fühlen und den Fürsten von Sternburg zurückrufen. Ich bemerke, daß ich mich zu sehr zurückgezogen habe, und bedarf der Gesellschaft. Wie lange hat sein Sohn, der Kapitän, Urlaub?«
»Auf unbestimmt.«
»Auch ihn wünsche ich zu sehen. Rufen Sie ihn telegraphisch zurück!«
Die Miene des Herzogs blieb glatt, aber sein Inneres war nicht so ruhig. Was sollte diese eigenthümliche Unterhaltung? Warum sprach der König nur von Dingen, welche unter den gegenwärtigen Umständen am liebsten unerwähnt blieben?
Wieder trat ein längeres Schweigen ein, bis sie einen verdeckten Wagen passirten, auf dessen Bock der Hofschmied saß.
»Kennen Sie diesen Mann, Durchlaucht?« frug der König.
»Natürlich! Der Schmied Brandauer.«
»Ein sehr braver und treuer Charakter! Es gibt nicht viel von dieser Sorte. Sein Sohn ist von gleichem Schrot und Korn; ich habe ihn unter meine ganz besondere Protektion genommen und bin überzeugt, daß er Karriere machen wird.«
Das war wieder ein scharfer Stoß für den Herzog. Er fühlte ihn sehr wohl, aber er mußte schweigen. Nach einiger Zeit sah man über dem Städtchen die Dächer, Thürme und Zinnen der Anstalt erscheinen.
»Ist Ihnen hier ein
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