Scepter und Hammer
ländlicher Einsamkeit zwischen den Anfängen eines Laubwaldes verborgen lag.
Hatten sich diese Leute nur wegen des niederströmenden Regens so sorgfältig verhüllt, oder gab es noch einen andern Grund der sie veranlaßte, sich und ihre Gesichter so wenig wie möglich bemerken zu lassen? Kam es je vor, daß einer in schnellerem Schritte den andern überholte, so geschah dies ohne Wort und Gruß, trotzdem sie sichtlich einen und denselben Zweck verfolgten, welcher auch vornehme Personen herbeizuziehen schien, denn es rollten auch öfters Kutschwagen und sogar feine Equipagen die Straße entlang, und es war sonderbar, daß dieselben nicht ganz bis zum bereits angegebenen Ziele fuhren, sondern immer in einiger Entfernung von demselben halten blieben, bis die Insassen ausgestiegen waren und dann in schnellem Tempo wieder zurückkehrten.
Unter all den einzelnen Fußgängern hätte man nur ein einziges Mal Zwei bemerken können, welche sich beständig neben einander hielten. Der eine von ihnen war hoch und breitschultrig gebaut; der andere war von kleiner schmächtiger Figur. Wäre es Tag oder heller gewesen, so hätte man noch Folgendes bemerken können: Der von einem dichten Haarwuchse bewaldete Kopf des Großen zeigte ein vom Wetter hart mitgenommenes Gesicht, dessen scharfes und offenes Auge mit den derben gutmüthigen Zügen sehr glücklich harmonirte. Dieser Kopf war bedeckt von einem Hute, der so alt war, daß man den Stoff, aus welchem man ihn gefertigt hatte, und die ursprüngliche Farbe nur nach einer eingehenden chemischen Untersuchung hätte bestimmen können. Er war in unzählige Knillen und Falten gedrückt, und weil sein Besitzer jedenfalls eine freie Stirn liebte, so hatte er denjenigen Theil der breiten Krämpe, welcher bestimmt ist das Gesicht zu beschatten, sehr einfach mit dem Messer abgeschnitten. Der Oberleib stak in einem kurzen, weiten, seegrünen Rocke, dessen Aermel so kurz waren, daß man den vorderen Theil der sauber gewaschenen Hemdärmel sah, aus denen ein paar braune riesige Hände hervorblickten, die einem vorsündfluthlichen Riesengeschöpfe anzugehören schienen. Unter dem breit über den Rock geschlagenen sauberen Hemdkragen blickte ein roth und weiß gestreiftes Halstuch hervor, dessen Zipfel weit über die Brust herab bis auf den Saum der blau und orange karirten Weste hingen. Die Beine staken in hochgelben Nankinghosen, welche in fett getheerten Seemannsstiefeln verliefen, in die zur Noth ein zweijähriger Elephant hätte steigen können. Sein Gang schlug herüber und hinüber, von Backbord nach Steuerbord und von Steuerbord wieder nach Backbord, gerade wie bei einem lang befahrenen Matrosen, der während der Dauer von vielen Jahren den festen sichern Erdboden nicht unter den Füßen gehabt hat.
Das große Frauentuch, in welches er des Regens wegen seinen Oberkörper jetzt geschlagen hatte, hätte am Tage sicher gerechtes Aufsehen erregt, denn es zeigte alle möglichen Blumen und Arabesken, die in den hellsten und schreiendsten Farben des Regenbogens erglänzten.
Der Andere trug eine rothe phrygische Mütze, unter welcher ein rabenschwarzes Haar in langen Locken hervorquoll. Sein hageres Gesicht war außerordentlich scharf geschnitten und zeigte jenen eigenthümlichen orientalischen Typus, welchen man in dieser Ausprägung nur bei den Zigeunern zu sehen pflegt. Sein schwarzes unruhiges Auge wanderte scharf und ruhelos von einem Gegenstande zum andern, und jeder Zollbreit des Mannes zeigte jene Beweglichkeit und Rastlosigkeit, die dem wandernden Volke der Gitani eigenthümlich ist. Seine Kleidung war einfach, bequem und nicht so auffallend in Form und Farbe wie diejenige seines gigantischen Reisegefährten, doch trug sein schwankender Gang ganz dieselben Spuren einer zurückgelegten längeren Seereise.
Auch er hatte sich in ein Frauentuch gehüllt, welches durchweg dunkelroth gefärbt war. Der Seemann liebt einmal die hellen Farben.
Die Umschlagetücher schienen nur zum Schutze der Kleidung vorhanden zu sein, denn Beide trugen die Köpfe hoch wie beim schönsten Wetter und ließen sich den Regen mit aller Gemüthlichkeit in das Gesicht schlagen; er schien sie auch nicht im mindesten in ihrer Unterhaltung zu stören.
Wer sie früher einmal gesehen hätte, wäre jetzt trotz des Dunkels sicher nicht an ihnen vorübergegangen, ohne Beide zu erkennen: den Bootsmann Karavey und den Steuermann Schubert, den Bruder des Obergesellen Thomas.
»Heiliges Mars-und Brahmenwetter,« meinte
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