Schach mit einem Vampir
Fraizer erfahren.
„Ja. Sie sagte außerdem, sie würde es Ihnen nicht übel nehmen, wenn Sie den Fall niederlegen würden. Sie weinte am Telefon …“ Fraizer bedankte sich bei der jungen Frau für die Auskunft und er ging in sein Büro. Dort erwartete ihn eine Überraschung, die ihn schockierte und gleichzeitig wütend machte. Sofort rannte er zurück in das Vorzimmer.
„Lisa, waren Sie an Rays Schreibtisch?“, fragte er aufgebracht.
„Nein, Mr. Fraizer. Ich weiß doch genau, worauf sich mein Aufgabengebiet beschränkt. Ich habe noch niemals in eine Schublade hineingesehen oder etwas von den Schreibtischen entfernt. Höchstens habe ich mal eine Notiz oder Akte daraufgelegt. Warum fragen Sie?“ Sie blickte ihren Chef aus großen, tränenverschleierten Augen an.
„Schon gut, Lisa. Ist schon gut. Ich bin wegen Rays Tod etwas durcheinander. Entschuldigen Sie bitte meinen scharfenTonfall.“ Der Privatermittler gab Lisa Ellis für den Rest ihres Arbeitstages frei. Auch die junge Büroangestellte war mit ihren Nerven am Ende. Sie brauchte Ruhe, musste ihre Trauer verarbeiten. Steve Fraizer ging zurück in das Büro, schloss die Verbindungstür zum Vorraum und lief auf Ray Phelps Schreibtisch zu. Gedankenverloren und verwirrt blieb er davor stehen und schaute auf die Schreibtischplatte. Auf dieser war das Schachspiel der beiden Partner aufgebaut. Jede der markanten, handgearbeiteten Spielfiguren war sorgfältig auf dem Schachbrett platziert. Die Figuren standen in der Anfangsstellung, mit der man jedes Schachspiel eröffnet. Doch eine der Spielfiguren fehlte. Die Figur eines schwarzen Bauern. An dessen Stelle lag nun eine Visitenkarte. In Fraizers Kopf kreisten die Gedanken. Bevor er gestern aufgebrochen war, hatte er gesehen, dass Ray das Schachbrett, samt der Figuren, abgeräumt und in einer Schublade verstaut hatte. Also hatte Lisa Ellis das Spiel doch aufgebaut? Sie hatte jedoch ausdrücklich verneint, an Rays Arbeitsplatz gewesen zu sein, und Fraizer glaubte ihr. Er vertraute Lisas Worten. In all den Jahren, in denen sie in der Detektei angestellt war, hatte sie ihre Chefs noch nie angelogen oder sie gar hintergangen. Sie war zuverlässig und vertrauenswürdig. Oder hatte sich jemand anderes einen makaberen Scherz mit ihm erlaubt? Vielleicht dieser FBI-Agent Harris? Um ihm zu zeigen, dass er ihm überlegen war? Aber alles im Büro lag an seinem gewohnten Platz. Nichts war durchwühlt und durcheinandergebracht worden. Es war so ordentlich und aufgeräumt, wie Fraizer das Büro verlassen hatte. Konnte sich denn das FBI in der kurzen Zeit, in der Fraizer im Behördenbüro festgesessen hatte, von der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl besorgt haben? Aus seiner Berufszeit bei der Polizei wusste der Detektiv, dass es nachts immer schwer war, einen solchen zu erhalten. Und letztendlich hätte das Büro dann auf dem Kopf gestanden. Das FBI war bekannt dafür, bei seinen Durchsuchungen nicht besonders zimperlich vorzugehen. Diese Gedankengänge des Detektivs liefen also auch ins Leere. Und ein illegales Eindringen des FBI-AgentenHarris schloss Fraizer gleich von Anfang an aus. Denn Harris war trotz seines harten Auftretens doch ein sehr korrekter Beamter. Er würde niemals mit einer illegalen Aktion seinen Job gefährden, nur um sein Ego zu befriedigen. Dann konnte also nur noch Ray Phelps selbst das Spiel aufgebaut haben, kombinierte Fraizer. Aus irgendeinem Grund hatte er ihm wohl eine unauffällige Nachricht zukommen lassen wollen. Das Schachbrett als Hinweis auf den Schachspieler ? Und die Visitenkarte als heiße Spur zu seinem Versteck? Doch warum hatte Ray ihn dann nicht angerufen und ihm seine neuen Erkenntnisse persönlich mitgeteilt, so wie sie es vereinbart hatten? Hatte Ray den Mörder etwa schon vor dem Büro bemerkt und wollte keine Zeit verlieren, ihn zu stellen? Hatte er deswegen auf ein länger dauerndes Telefonat verzichtet? Aber woher hatte Ray dann die Visitenkarte? Sie hatten sich doch beide vorgenommen, erst heute, mit Beginn des neuen Tages, ihre Ermittlungen zu starten. Auf diese verzwickten Fragen fand der Detektiv noch keine passenden Antworten. Ihm kam die Akte über den Schachspieler in den Sinn. Fraizer durchsuchte den Schreibtisch seines Kollegen nach den brisanten Unterlagen. Doch er fand sie nicht. Kurz überlegte er, ob Ray Phelps die Akte mit sich genommen haben könnte. Er war immer sehr vorsichtig mit illegalen Kopien aus den Räumlichkeiten der Polizei gewesen, allein
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