Schach mit einem Vampir
allesamt waren diese nicht identisch mit dem Hinweis auf dem Fahrschein. Fraizer drängte sich durch die wartende Menge zurück zum Ausgang. Das wurde jedoch dadurch erschwert, da gerade ein Zug in die Station einfuhr und sich die Menschenansammlung hektisch in Richtung Zug voranbewegte und somit in Fraizers Gegenrichtung drängte. Hier, in dieser Station, war kein Hinweis zu finden. Er versuchte es auf dem Bahnsteig der Linie 4-6. Dazu musste er noch einmal mit einer Rolltreppe weiter tiefer unter die Erde fahren. Auch hier drängelten sich viele Leute. Die Luft in der engen Röhre, in der die Rolltreppe verlief, und auf den Bahnsteigen selbst, war stickig und mit einem Geruch aus menschlichen Ausdünstungen und einem undefinierbaren Technikgeruch durchmischt. Die Stimmen der Menschen auf dem Bahnsteig wurden von den engen Wänden zurückgeworfen. Irgendwo vernahm man das Quietschen von Zugbremsen. Fraizer schob sich an zwei Polizisten vorbei, die eine junge Frau im Hippielook vernahmen.
Eine alte Frau stand dicht daneben und beschuldigte die Festgehaltene, ihr die Geldbörse aus ihrer Handtasche gestohlen zu haben. Die Beamten durchsuchten die Taschen der Hippiefrau und wurden fündig. Doch all das interessierte Fraizer nur am Rande. Er suchte jedes Detail des Bahnsteigs nach einem brauchbaren Hinweis ab. Eine halbe Stunde verging. Zum zweiten Mal in dieser Zeit kündigte ein Windstoß in der Fahrröhre der U-Bahn an, dass sich ein Zug dem Bahnsteig näherte. Eine blecherne und kaum verständliche Durchsage wies mit Sicherheitshinweisen darauf hin, wie man sich bei der Einfahrt des Zuges zu verhalten habe. Kurz darauf schoss das Gefährt aus dem Dunkel der Fahrröhre heraus und hielt mit singenden Bremsen am Bahnsteig an. Die Türen der Waggons öffneten sich und Menschen stoben daraus hervor. Wartende drängten hinein. Fraizer befand sich an der hinteren Wand des Bahnsteigs. Niemand achtete auf ihn. Von seiner Position aus konnte er noch einmal seinen Blick durch den ganzen unterirdischen Bahnsteig schweifen lassen. Keine zwei Meter von seinem Standpunkt entfernt klaffte die schwarze Öffnung, in der die Züge in der dunklen, unterirdischen Röhre, in der die U-Bahn-Trasse verlief, verschwanden und sich ihren Weg unterhalb der riesenhaften Metropole bahnten. Fraizer war frustriert. Er hatte mit seiner Suche keinen Erfolg gehabt. Wäre er doch bloß gleich nach dem Besuch beim Professor nach Hause gefahren und hätte die Nacht an der Seite seiner Frau in seinem Haus verbracht. Doch nun stand er hier, unter der Erde, atmete verbrauchte Luft ein und hatte klebrigen Kaugummi unter seiner Schuhsohle, den irgendein Trottel, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen, auf den Bahnsteig gespuckt hatte. Langsam kochte die Wut in Fraizer hoch und Resignation machte sich breit. Er war in diesem Moment so weit, den Fall einfach hinzuschmeißen.
Gott ja, Ray , schoss es ihm durch den Kopf. Doch was kann ich schon bewirken, wenn New Yorks Polizei und selbst das FBI nicht imstande sind, den Mörder zu schnappen. Fraizer war auch nur ein Mensch. Ein Mann, den zunehmend seine Kräfte verließen und dessen Selbstbewusstsein schwand.
Sicher, er hatte geschworen, Rays Mörder selber zu fangen. Doch all seine bisherigen Ermittlungen verliefen in einer Sackgasse. Er wollte zurück in sein Büro fahren und dort alles noch einmal überdenken. Vor allen Dingen musste er Miss Meyers endlich einmal anrufen und sie über die bisherigen Erkenntnisse informieren. Das würde schnell gehen, denn es gab kaum welche. Und er würde ihr seinen Ausstieg aus dem Fall schonend beibringen müssen. Sie würde sicher sehr enttäuscht von ihm sein. Doch er wollte sie auch nicht anlügen und ihr etwas vorspielen, was nicht der Realität entsprach. Ihr nicht vorgaukeln, dass er jemals den Schachspieler und dessen Hintermänner aufspüren konnte. Er dachte daran, wie das hübsche Gesicht der jungen Frau erneut von Trauer gezeichnet wurde und sich ihre liebevollen Augen mit Tränen füllten. Dieses Mal würde er ihr keinen Trost spenden können, im Gegenteil. Gedankenverloren sah Fraizer zu, wie sich die Türen der Waggons schlossen und sich der Zug rasch in Bewegung setzte. Der Bahnsteig wirkte plötzlich verlassen, fast wie ausgestorben. Doch in ein paar Minuten würde sich das schnell wieder ändern. Neue Menschenmassen würden in den Untergrund drängen, um ihr Ziel, in einen anderen Stadtteil New Yorks zu gelangen, zu erreichen. Der Detektiv sah zu, wie der
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