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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Crowfoot ist immer am umgänglichsten gewesen, wenn sie am meisten zu tun hatte und überarbeitet war; der Kontakt zu anderen ist ihr Ausweichen vor dem Druck. Schadrach kann sich nicht vorstellen, warum sie ihn meiden sollte. Die Nacht, die er mit Katja Lindman verbrachte, hat sicherlich nichts damit zu tun. Er hat früher schon mit Katja Lindman geschlafen und mit anderen; auch Nicki Crowfoot hat andere Partner gehabt; solche Dinge haben zwischen ihnen nie eine Rolle gespielt. Es verwirrt ihn. Wenn sie am Telefon miteinander sprechen, ist Nicki distanziert und auf der Hut. Zweifellos ist in ihrer Beziehung zueinander irgend etwas schiefgegangen, aber er hat keine Ahnung, was es sein könnte.
    Eine neuerliche Krise des Vorsitzenden lenkt ihn von diesen Fragen ab. In den vergangenen Tagen hat der alte Mann das Bett verlassen, um in seinem Büro zu arbeiten und an Sitzungen des Revolutionsrates teilzunehmen. Seine Wiederherstellung machte so rasche und ermutigende Fortschritte, daß es keinen Grund zu geben schien, ihm weiterhin Bettruhe zu verordnen. Außerdem hätte Dschingis Khan II. Mao sich über solche Vorschriften hinweggesetzt. Aber nun registrieren die empfindlichen Signalgeber unter Schadrach Mordechais Haut Frühwarnungen bevorstehender Komplikationen – epigastrische Unregelmäßigkeiten, schwache systolische Nebengeräusche, allgemeine Kreislaufschwächen. Zuviel und zu frühe Aktivität? Schadrach sucht den Vorsitzenden in seinem Büro auf, um das Problem anzusprechen. Aber der alte Mann, bis über die Ohren in Regierungsgeschäften und seiner Jagd auf Feinde der Gesellschaftsordnung, hat keine Zeit, um mit dem Leibarzt über seine Gesundheit und mögliche Symptome zu diskutieren. Er wischt Schadrachs Fragen mit der brüsken Erklärung vom Tisch, daß er sich selten besser gefühlt habe als jetzt. Dann wendet er sich wieder seiner Arbeit zu. Inzwischen, so bemerkt er selbstzufrieden, sei die Zahl der Verhaftungen auf zweihundertzweiundachtzig angestiegen. Von den Verhafteten seien neunundsiebzig für schuldig befunden und in die Organfarmen geschickt worden. »So werden diese kriminellen Elemente der Gesellschaft doch noch einen nützlichen Dienst erweisen«, sagt der Vorsitzende. »Liegt darin nicht eine tiefe Gerechtigkeit? Symbolisiert es nicht auf das treffendste das dialektische Prinzip These, Antithese, Synthese?«
    »Zweihundertzweiundachtzig Verschwörer?« fragt Schadrach. »Waren so viele nötig, um einen Mann aus dem Fenster zu stoßen?«
    Der Alte wirft ihm einen unfreundlichen Blick zu. »Wer weiß? Das Verbrechen selbst konnte vielleicht von zwei oder drei Eindringlingen verübt werden. Aber für die Vorbereitungen muß ein weitgespanntes Netz von Helfern und Zuarbeitern benötigt worden sein. Sicherheitseinrichtungen mußten verändert, Wachen abgelenkt, Kameras lokalisiert und durch Zudecken der Objektive unschädlich gemacht werden. Wir glauben, daß ungefähr ein Dutzend Verschwörer benötigt wurde, um die Körper der Mörder aus dem Hof fortzuschaffen, nachdem sie hinuntergesprungen waren.«
    »Gesprungen waren?«
    Der Vorsitzende lächelt. »Wir glauben«, sagt er, »daß die Meuchelmörder, nachdem sie Mangu aus dem Fenster gestoßen hatten, aus demselben Fenster hinterher sprangen, um nicht im Gebäude gefaßt zu werden. Helfershelfer, die unten auf dem Hof gewartet hatten, schafften ihre Körper sofort beiseite, während andere alle Spuren der zerschmetterten Leichen vom Pflaster entfernten.«
    Schadrach starrt ihn an. »Horthy sah nur einen Mann fallen, und das war Mangu.«
    »Horthy blieb nicht auf dem Hof, um die weiteren Ereignisse zu beobachten.«
    »Trotzdem…«
    »Wenn Mangus Mörder ihrem Opfer nicht nachgesprungen wären«, sagt der alte Mann ungeduldig, »was wurde dann aus ihnen? Im Gebäude wurden nach dem Verbrechen keine verdächtigen Personen entdeckt.«
    Schadrach ist unfähig, darauf eine passende Antwort zu finden. Kein Kommentar, den er geben könnte, würde im Sinne des Vorsitzenden konstruktiv sein. Nach einer Pause räuspert er sich und sagt: »Wäre es möglich, daß wir eine Minute über Ihre Gesundheit sprechen würden?«
    »Ich sagte Ihnen doch, daß ich mich wohl fühle.«
    »Die Symptome, die ich ausgemacht habe, sind ziemlich ernster Natur«, sagt Schadrach. »Ich…«
    »Symptome wovon?« fragt der Vorsitzende ungnädig.
    Schadrach befürchtet, daß sich im Körper seines Patienten ein Aneurysma entwickeln könnte, eine Schlagadererweiterung. Er

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