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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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eben.«
    »Warst du da, als er aus dem Fenster fiel, oder warst du nicht da?«
    »Natürlich nicht«, sagte Katja.
    »Warum bist du dann so überzeugt davon?«
    »Aus gutem Grund. Hinreichenden Gründen.«
    »Weißt du etwas, was die Sicherheitsleute nicht wissen?«
    »Ja.«
    »Warum sagst du es dann nicht in aller Öffentlichkeit, bevor Avogadro die ganze Welt verhaftet?«
    Sie schweigt einige Sekunden lang. »Nein«, sagt sie dann. »Ich kann nicht. Es würde mich zerstören.«
    »Ich kann dir nicht folgen.«
    »Du könntest, wenn ich dir die Geschichte erzählte.« Sie mustert ihn. »Wenn ich es täte, würdest du sie für dich behalten?«
    »Wenn du es von mir verlangtest.«
    »Ich habe schon oft gedacht, daß ich es jemandem erzählen sollte. Dir würde ich es gern erzählen, denn ich vertraue dir, Schadrach. Aber ich habe Angst.«
    »Wenn du es lieber nicht sagen möchtest…«
    »Nein, nein. Ich werde es dir erzählen. Komm, gehen wir noch einmal über den Platz. Es könnte sein, daß eine Kamera auf uns gerichtet ist und später jemand meine Lippenbewegungen abliest.«
    »Kameras sind überall. Es spielt keine Rolle, in welche Richtung wir uns bewegen. Aber alles können sie nicht aufnehmen, vermute ich.«
    Sie verlassen den Innenhof und gehen langsam über den Platz. Katja hebt die Hand vor das Gesicht, als wolle sie sich die Nase kratzen, und sagt mit bedecktem Mund: »Ich sah Mangu am Abend vor seinem Tod. Wir sprachen über das Projekt Avatara. Ich sagte ihm, daß er zum Spender ausersehen sei.«
    »Allmächtiger! Das hast du getan?«
    Sie nickt grimmig. »Ich konnte es nicht länger für mich behalten. Es war ein Montagabend, der Abend vor der Leberverpflanzung, nicht wahr? Mangu hatte am selben Abend eine Rede gehalten. Danach gingen er und ich ins Kasino und tranken etwas. Er befürchtete, der Vorsitzende könne während der Operation sterben, und er müßte die ganze Regierungsverantwortung auf sich nehmen. Er äußerte immer wieder die Befürchtung, daß er der Aufgabe nicht gewachsen sein werde. Und dann fingen wir an, über die drei Projekte zu sprechen, und er erging sich in Spekulationen über Avatara. Wie sich eine erfolgreiche Übertragung vom Bewußtsein des Vorsitzenden in einen fremden Körper auf die Regierungsverantwortung im allgemeinen und auf seine, Mangus Stellung, im besonderen auswirken würde. Er war so anständig, daß er keinen Augenblick für möglich gehalten hätte, er selbst könne zum Körperspender ausersehen sein. Ich konnte es schließlich nicht mehr aushallen, und weil er mir leid tat und ich ihm helfen wollte – ich dachte, er könnte vielleicht einen Staatsstreich versuchen oder wenigstens Gegenmaßnahmen vorbereiten –, sagte ich ihm, er brauche sich deswegen keine Gedanken zu machen und verschwende nur seine Zeit, denn nach der Persönlichkeitsübertragung werde es ihn nicht mehr geben, weil der Vorsitzende ihn zum Körperspender machen wolle.«
    Schadrach ist von dieser Beichte wie vor den Kopf geschlagen. »Das hast du getan?«
    »Die Worte kamen mir wie von selbst. Da war dieser anständige und verdiente Mann, der über seine Zukunft nachdachte, und ich wußte, daß er keine hatte, daß er praktisch schon zum Tode verurteilt war. Wenn das Projekt Avatara zum Erfolg geführt würde. Wir alle wußten es, alle bis auf ihn. Ich fand es unmenschlich, ihn nichtsahnend in sein Verderben laufen zu lassen.«
    »Wie reagierte er?«
    »Er wurde aschfahl. Sein Gesicht schien einzufallen. Ein leerer, glanzloser Ausdruck kam in seine Augen. Lange saß er so da und sagte kein Wort. Dann fragte er mich, woher ich es wüßte. Ich sagte, viele wüßten es. Er fragte, ob du davon wüßtest, und ich sagte, daß es wahrscheinlich sei. Ich will mit Nicki Crowfoot sprechen, sagte er. Ich antwortete ihm, daß sie mit dir in Karakorum sei. Dann wollte er mein Urteil über das Projekt Avatara hören, und ich sagte, ich wüßte es nicht, ich hätte großes Vertrauen in mein eigenes Projekt, und mit einigem Glück könne Talos eher zum Erfolg gebracht werden als Avatara. Es sei alles eine Frage der Zeit, sagte ich. Avatara habe gegenwärtig einen Vorsprung, und wenn dem Vorsitzenden in den nächsten Monaten etwas Ernstes zustoße, dann werde man vermutlich Avatara aktivieren müssen, weil der Talos-Automat wenigstens ein weiteres Jahr Entwicklungsarbeit benötige und das Projekt Phönix keine Fortschritte mache. Er dachte darüber nach. Schließlich sagte er mit tonloser Stimme, es mache

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