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Schadrach im Feuerofen

Schadrach im Feuerofen

Titel: Schadrach im Feuerofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schützen, wie es in der Geschichte der Medizin nie zuvor möglich gewesen ist. Denkst du, der Vorsitzende würde angesichts der fast unbegrenzten Auswahl an gesunden jungen Körpern ausgerechnet den einen auswählen oder auswählen lassen, der für seine Gesundheit unentbehrlich ist?«
    »Denk nach, Schadrach! Das Avatara-Projekt wird erst aktiviert, wenn der gegenwärtige Körper des Vorsitzenden irreparabel ist und an der Schwelle des Todes steht. Sobald er sein Bewußtsein und seine Persönlichkeit in deinen Körper hinübergerettet haben wird, werden all diese ausgeklügelten eingepflanzten Überwachungsgeräte nicht mehr nötig sein. Er wird auch dich nicht mehr als seinen Leibarzt benötigen; er wird überhaupt keinen Leibarzt mehr brauchen, der ständig für ihn bereitsteht, für viele Jahre nicht. Und wenn die Zeit kommt, kann er immer noch einen neuen Arzt finden, genauso wie er einen neuen Buckmaster finden kann, der ihm einen neuen Satz von Überwachungsgeräten entwickelt. Vielleicht befindet sich der Ersatzmann bereits in der Ausbildung, irgendwo in Bulgarien oder Afghanistan oder sonst wo. Der Vorsitzende versteht sich auf die Methoden des Überlebens; besser als du, fürchte ich.«
    Schadrach Mordechai öffnet den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen, bringt aber nichts heraus.
    »Wenn das Avatara-Projekt einsatzbereit ist«, sagt Katja, »bist du dran. Verlaß dich drauf.«
    »Wann wurde das beschlossen?«
    »Vor mehr als einer Woche. Ich erfuhr es kurz vor unserer Fahrt nach Karakorum.«
    Ungefähr zur gleichen Zeit begann Nicki Crowfoot Vorwände zu suchen, um seine Gesellschaft zu meiden. Er erinnert sich, wie er am frühen Morgen nach dem Traumtod-Ausflug in diesem Raum neben Katja aufwachte und entdeckte, daß sie schluchzte, und wie sie ihm auf seine Frage nach dem Grund gesagt hatte, sie fürchte für ihn, ohne eine genauere Erklärung dafür zu geben. Ja. Und er erinnert sich an das verrückte Gerede des alten Mannes, der ihn zum Papst nominieren wollte. Was hatte es damit auf sich? War es eine verhüllte Andeutung der wirklichen Nominierung gewesen? Er erinnert sich auch, und es fröstelt ihn dabei, wie er kurz nach dem Bekannt werden von Mangus Tod ohne Hemd ins Schlafzimmer des Vorsitzenden gestürmt war, und wie Dschingis Khan II. Mao seinen bloßen Oberkörper mit Interesse und sogar Bewunderung beäugt und gesagt hatte, er sehe sehr gesund aus. Ja. Ist es möglich, daß der Alte sich schon Minuten nach Erhalt der Trauernachricht nach einem neuen Körper umgesehen hatte?
    Er denkt an Buckmaster, der ihm zugeschrieen hatte, er werde im Feuerofen enden.
    Nein. Nein. Nein.
    »Ich kann es nicht glauben«, sagt er schließlich.
    »Du wirst nicht daran vorbeikommen.«
    »Es ergibt keinen Sinn. Ich kann mir buchstäblich nicht vorstellen, wie jemand auf eine solche Idee kommen sollte.«
    »Ängstigt dich die Vorstellung, Schadrach?«
    »Nein. Nicht im mindesten.« Er streckt beide Hände aus, hält sie ruhig. Da ist nicht das geringste Zittern. Die Finger sind ruhig wie die des Chirurgen Warhaftig. »Siehst du? Ich bin völlig ruhig. Ich bin ohne Affekt. Es wirkt sich nicht auf mich aus, weil es unwirklich ist.«
    »Es ist nicht unwirklich, Schadrach. Es ist eine Tatsache.«
    »Nicki Crowfoot weiß darüber Bescheid?«
    »Selbstverständlich.«
    »Ist sie vielleicht diejenige, die mich ausgesucht hat?«
    »Der Vorsitzende selbst hat dich ausgewählt.«
    »Ich verstehe. Ja, das paßt dazu.« Er lacht kurz auf. »Bemerkst du, wie ich zu reden beginne, als ob ich es glaubte? Als ob ich es auf irgendeiner Ebene akzeptieren würde?«
    »Was willst du tun, Schadrach?«
    »Tun? Was sollte ich tun? Sollte ich tun, was Mangu tat?«
    »Du bist nicht Mangu.«
    »Nein«, sagt er. »Selbst wenn man es mir schriftlich geben würde, daß ich für das Avatara-Projekt ausgewählt sei, würde ich es nicht wie Mangu machen. Ich neige nun mal nicht zum Selbstmord. Vielleicht setzen solche Gedankengänge erst später ein, ich weiß es nicht, aber zuerst muß ich etwas fühlen, und vorläufig fühle ich nichts. Ich fühle mich nicht verraten, ich fühle mich nicht gefährdet, ja, ich fühle mich nicht einmal überrascht.«
    »Könnte es sein, daß du der Avatara-Spender sein möchtest?«
    »Ich möchte Schadrach Mordechai sein. Und ich möchte es noch lange sein.«
    »Dann sieh zu, daß der Vorsitzende bei guter Gesundheit bleibt. Solange sein Körper funktioniert, braucht er den deinen nicht. Unterdessen wird es

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