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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Leitung ist manuell abgetrennt worden. Wir
bedauern – Ihr Anruf kann nicht…«
    Joe saß eine Weile reglos da und dachte nach. Er trank
ein Glas Wasser vom Nachttisch und rief dann eine Nummer in
Washington an, den besten Anwalt mit Erfahrung auf dem Gebiet der
Sonderhaftgesetze, der ihm einfiel. Der Anwalt hörte
aufmerksam zu und versprach, trotz der späten Stunde sofort
aufs Revier zu gehen. Er warnte Joe, nicht zuviel zu erwarten.
»Niemand«, sagte er grimmig, »hat seit 1993
einen R-52-Fall gewonnen. Vielleicht wird’s langsam mal
Zeit, daß es einer tut.«
    Joe antwortete nicht. Er konnte ja schlecht zu Angels Anwalt
sagen, daß es vielleicht auch ganz gut so war.
    Er lag im Dunkeln und warf sich hin und her, weil er nicht
schlafen konnte. Vor seinem geistigen Auge tauchte ein Bild nach
dem anderen auf: Robin kurz nach der Heirat. Pirelli während
ihrer Kindheit in Pittsburgh. Caroline in ihrem blauen Kleid.
Angel im Gefängnis. In einer vollgestopften, dreckigen
Zelle, in einem unbeaufsichtigten Freizeitraum mit einem
R-52-Urteil am Hals. Die Bilder schienen nichts miteinander zu
tun zu haben, wenn man davon absah, daß sich bei ihrem
Anblick sein Magen verkrampfte. Er war nur für eins dankbar,
als er in der dicken, kalten, schwarzen Luft lag, nämlich
daß nicht auch noch Erinnerungen aus früheren Leben
hochkamen.
    Schließlich stand er auf, trank noch ein Glas Wasser und
nahm Carolines verzweifelten Anruf entgegen, bei dem sie ihn bat,
seinen Einfluß zu nutzen, um das Gesetz zu brechen und ihr
Robbie Brekkes Nummer in Wyoming zu besorgen.
     
    Joe saß im Speisesaal des Instituts und nahm ein
Zwischending zwischen Frühstück und Lunch zu sich,
einen Salat mit einem cremigen Echtgurken-Dressing, von dem er
kaum etwas schmeckte. Drei Patienten des Instituts saßen
einzeln in dem Raum, tranken Kaffee oder aßen ein Sandwich;
Joe kannte keinen von ihnen. Neue Patienten für die
Operation, die rechtzeitig zum Orientierungsempfang heute abend
angekommen waren. Armstrong, Park, das Holo eines riesigen
Gehirns, in dem es von Lichtpünktchen wimmelte. Sandy Ochs,
die so schnell und sauber verschwunden war wie durch einen
Schnitt mit einem Skalpell. Die drei neuen Patienten warfen
verstohlene Blicke auf Joes Gesicht; dann schauten sie alle
stirnrunzelnd wieder weg.
    Jeff Pirelli kam durch die antike Doppeltür des
Speisesaals herein, in dünne weiße Seide gehüllt.
Joes Gabel mit Kopfsalat und grünem Pfeffer blieb auf halbem
Wege zu seinem Mund in der Luft hängen; Pirelli war erst
gestern hiergewesen und hatte ihm nichts davon gesagt, daß
er an diesem Morgen wiederkommen wollte. Pirellis rundes Gesicht
sah abgespannt aus. Er hätte eine Rasur gebraucht;
Bartstoppeln sprenkelten sein Kinn wie Fliegendreck auf Talg. Er
lächelte nicht einmal, als er am Tisch Platz nahm.
    »Gott, wie ich es hasse, frühmorgens zu
fliegen.«
    Joe ließ die Gabel mit dem Kopfsalat wieder in die
Schüssel sinken. »Ich habe gesagt, daß ich nicht
mitkomme, Jeff.«
    »Skipton sagt, du kommst mit.«
    »Du bist damit zum Vizepräsidenten gegangen?«
    »Er ist der nominelle Vorsitzende der Seuchenkommission,
hast du das vergessen? Bloß weil er nichts für sie
tut, heißt das nicht, daß wir ihn nicht unterrichten
würden. Wir erzählen’s ihm, er
erzählt’s Caswell.«
    Joe strich Butter auf einen Cracker, den er gar nicht essen
wollte. »Es gibt nichts, worüber jemand unterrichtet
werden müßte. Zumindest nichts, was mit mir zu tun
hat.«
    »O doch, jede Menge. Du kennst Brekke, und Brekke ist
eine Art Schlüssel. Er und seine Vergangenheit als Paul
Winter. Als wir das in die Datenscans reingegeben haben, sind bei
den Berechnungen unglaubliche Sachen passiert, Joe. Irgendwie hat
die Seuche in der Umgebung von Winter ihren Anfang genommen.
Alles deutet auf Armand Kyle hin, diesen verrückten
Mistkerl. Als sein Hauslabor in der Nacht des Mordes
zertrümmert wurde – darüber sind schon seit
Jahren Vermutungen angestellt worden, das weißt du. Nur
sieht es jetzt so aus, als ob in dieser Nacht auch was anderes
angefangen hat, etwas, womit niemand gerechnet hat, und Brekke
ist der Schlüssel dazu.«
    »Na, dann holt euch Brekke. Ihr braucht mich nicht.
Wieso sind denn in diesem Augenblick keine Agenten in Wyoming und
schnappen ihn sich? Ihr wißt doch, wo er ist.«
    »Die Agenten sind schon da. Aber ich brauche dich auch
dort. Skipton betrachtet das ganze mit

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