Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
Argusaugen – die
Sache ist ihm einfach zu unheimlich…«
    »Mir ist sie auch zu unheimlich!« platzte Joe
heraus und bereute es sofort. Pirelli musterte ihn gelassen.
»Du verschweigst mir doch was, Jeff. Du könntest
andere Leute mitnehmen, die Brekke kennen, Experten…
Doktor Shahid, Doktor Armstrong…«
    »Skipton sagt, du kommst mit.«
    »Du hast Skipton gesagt, was er sagen soll, und das
weißt du. Du hast ihn mit einem mathematischem Mischmasch
aus Sinn und Unsinn und eindrucksvollen Holos von mathematischen
Modellen vollgestopft, und er hat ziemlich bald aufgegeben, um
das Risiko von Eins zu tausend Tausendsteln zu umgehen, daß
die Sonne zur Nova wird, wenn er dir nicht zuhört. Er ist
sowieso ein halber Gaist; schwimm mit dem Strom, und in diesem
Moment warst du der Strom. Aber ich will mit der Sache nichts zu
tun haben, Jeff. Reinkarnationschirurgie und Seuche haben nichts
miteinander gemein.«
    »Wir haben die Ergebnisse der ersten
Vorseuchentests.«
    Joes Blick schnellte zu Pirellis Gesicht zurück.
»Was habt ihr rausgefunden?«
    »Wir haben rausgefunden, wer das Slow Virus in seiner
präaktiven Phase im Hippocampus hat.«
    »Und wer?«
    »Jeder.«
    »Was?«
    »Jeder hat das Virus bereits im Gehirn. Sämtliche
nach dem Zufallsprinzip ausgesuchten Freiwilligen, der gesamte
medizinische Stab, alle in der Kommission, die das Forscherteam
dazu bringen konnte, stillzuhalten und sich testen zu lassen. Sie
sind ein bißchen ausgeflippt. Und noch mehr, als sich
herausstellte, daß es jeder hat: Sholomeis, Esterhazy,
Donatelli, Bevington, Lin, Kushall. Und ich.«
    Joe starrte ihn an. »Du meinst, jeder kriegt die Seuche?
Jeder Mensch?«
    »Nein. So scheint es nicht zu laufen. Nur manche
Menschen kriegen sie. Jeder hat die Saat, aber sie reift nur bei
einigen Menschen. Wie in der Parabel vom Weizensamen, der auf
Steine, ins Wasser und auf fruchtbaren Boden fällt. Manche
Gehirne sind eine fruchtbare Umgebung für das Seuchenvirus,
andere nicht.«
    Die Worte kamen nur mit Mühe durch Joes Hals. »Und
welche sind welche?«
    »Wissen wir nicht. Wir haben nur das, was wir von der
Statistik wissen: Niemand, der sich je der Karnie-Operation
unterzogen hat oder sich ihr unterziehen wird, hat die Seuche
bekommen. Deshalb kommst du mit mir nach Wyoming, um mit Paul
Winter Brekke zu reden.«
    Joe saß still da und versuchte, das Ungeheuerliche in
Pirellis Worten zu verarbeiten. Jeder hatte das Hippocampus-Virus
mit der langen Inkubationszeit… jeder… »Jeff – es kann doch sein, daß die Operation
das Gehirn zu einer weniger fruchtbaren Umgebung für die
Seuche macht. Das akzeptiere ich als medizinische
Möglichkeit, wenn Sholomeis’ Team sagt, es ist eine.
Aber diesen Unsinn, daß einer, der irgendwann in der
Zukunft die Entscheidung trifft, sich operieren zu lassen,
deshalb jetzt von der Seuche verschont bleibt – nein. Nein. So läuft das nicht bei
Entscheidungen…«
    »Du schreist mich an«, sagte Pirelli kalt, und Joe
merkte, daß er recht hatte. Die anderen einsamen Esser
starrten ihn mit offenem Mund an. Drei Männer standen an den
Türen des Speisesaals; Joe nahm sie nur undeutlich wahr. Er
hatte das Gefühl, an einer Wut zu ersticken, die er nicht
verstand. Pirelli stand auf.
    »Du kommst mit nach Wyoming. Du bist immer noch Mitglied
der Kommission.«
    »Ich trete zurück.«
    Pirelli machte eine Handbewegung, und die drei Männer
betraten den Raum. Es waren U.S. Marshals.
    Niemand sagte ein Wort.
    Joe zerknüllte seine Serviette, legte sie auf den Tisch
und erhob sich. Seine Knie zitterten, was ihn nur noch
wütender machte. Er preßte sie zusammen und sagte, so
ruhig er konnte: »Womit willst du das
begründen?«
    »Sonderhaftgesetz R-52.«
    »Für mich?«
    »Das einzige, was wir so schnell kriegen konnten. Und es
paßt – Paul Winter war homosexuell. Du verkehrst mit
Robbie Brekke. Nein, natürlich verstößt du nicht
gegen das Gesetz. Aber ich dachte mir schon, daß du nicht
freiwillig mitkommen würdest. Und ich hatte
recht.«
    »Du weißt, daß ich nach einer Festnahme
aufgrund eines Sonderhaftgesetzes in Washington erledigt
bin.« Er dachte an Angel, der gleichzeitig verhaftet worden
war, seinen Sekretär…
    »Nur, wenn ich es anwenden muß. Also komm lieber
freiwillig mit nach Wyoming, Joe.«
    Joe sah Pirelli an. Für einen Sekundenbruchteil hatte er
eine derart lebhafte, intensive Erinnerung, daß er sie
nicht unterbringen konnte

Weitere Kostenlose Bücher