Schädelrose
soll ich dann…«
»Sie sollen dafür sorgen, daß die
Beschuldigungen verschwinden.«
Er dauerte einen Moment, bis Joe klar wurde, was er da
verlangte.
»Sie haben wirklich mächtige Freunde«, sagte
Angel. Er beugte sich vor, in den Bildschirm hinein; Joe wich
zurück. »Auch wenn Sie beschlossen haben, Ihre Praxis
in diesem billigen Mietshaus einzurichten und pro bono zu
arbeiten, auch wenn Sie nur durch Pirelli in die
Seuchenkommission gekommen sind – Sie gehen zu Konferenzen
ins Weiße Haus! Ihrem Freund Esterhazy wird man das Amt des
Justizministers anbieten, das weiß jeder, Pat Grocek ist
Bundesrichter, und selbst Ihr verrückter compadre Pirelli hat Einfluß…«
»Mein Gott, Angel…«
»Die Art Einfluß, die Leute wie ich nie
kriegen!« rief Angel. »Sie wollen uns per Gesetz
auslöschen, das wissen Sie ebensogut wie ich und Sie wissen
auch, daß ich dieses beschissene AIDS-Virus nicht
habe!«
»Ja, das weiß ich«, sagte Joe, so ruhig er
konnte.
»Es ist schlicht und einfach Homophobie, sonst gar
nichts, verdammt. Sie haben ein Heilmittel gefunden und AIDS
eliminiert, aber die Gesetze beibehalten, weil sie so gut
geeignet sind, uns auszulöschen…«
»Die Gesetze sind so geblieben, weil sie niemand je
geändert hat«, sagte Joe. Seine Hand zitterte –
nur eine Hand, unverständlicherweise. »Und weil es
CDC-Statistiken gibt, die zeigen, daß sich im homosexuellen
Teil der Bevölkerung andere mutierte Viren auszubreiten
begonnen haben.« Unter anderem die Seuche. Aber das
war eine neue, klassifizierte Information aus Pirellis Akte,
deren statistische Signifikanz so wenig gesichert war, wie ihre
Implikationen schrecklich waren.
»Dummes Zeug!« schrie Angel. »Hören
Sie, Joe, ich brauche Sie, Mann, die werden mich mein Leben lang
in ein finsteres Loch sperren, ich brauche Ihre Hilfe! Sie
müssen mir helfen! Sie müssen die Beschuldigungen
streichen lassen!«
Angels Angst war mit Händen zu greifen; sie heizte den
Bildschirm auf wie ein Fieber. Joe wollte die Augen
schließen und das Terminal abschalten. »Das kann ich
nicht.«
»Sie müssen es tun! Sie müssen, Mann! Sie
müssen die Beschuldigungen streichen lassen!«
»Ich kann nicht.«
»Sie meinen, Sie wollen nicht«, sagte Angel.
»Ich weiß gottverdammt genau, daß Sie es können, Herr Anwalt.«
»Na schön, das stimmt«, sagte Joe ruhig.
»Ich will nicht. Ich werde alles tun, was ich kann, um
Ihnen bei Ihrer Verteidigung zu helfen, Angel, Sie haben laut
Gesetz ein Recht auf die beste Verteidigung, die das
System…«
»Sparen Sie sich die Mühe«, sagte Angel.
Seine Hysterie erlosch. Er starrte Joe vom Bildschirm herab an.
Seine Augen waren ausdruckslos und schwarz und glänzten wie
die eines Vogels. »Sie helfen mir nicht, weil Sie nicht
wollen. Weil Sie an das gottverdammte Gesetz glauben. Weil sie
glauben, daß es wirklich ein Verbrechen ist, einen
anderen Mann zu vögeln.«
»Ich glaube, daß es ein Verbrechen ist, weil der
Kongreß der Vereinigten Staaten es dazu erklärt hat,
und zwar mit guten und ausreichenden Gründen«,
erwiderte Joe. Er wußte, wie sich das anhörte, aber er
konnte sich nicht bremsen. »Zum Wohl der Allgemeinheit. Und
ohne Gesetz…« Er brach ab. Es hatte keinen Zweck,
das zu erklären; angesichts dessen, was Angel bevorstand,
war es obszön, es überhaupt zu versuchen. In seinem
Innern flackerte eine kleine, heiße Flamme des Zorns
darüber auf, daß die Entscheidungen von Menschen
imstande sein sollten, aus einem notwendigen Gesetz eine
Obszönität zu machen.
»Wischen Sie sich damit Ihre Festplatte ab, Herr
Anwalt«, sagte Angel grob. »Ich kenne Sie. Sie denken
nicht nur, daß es ein Verbrechen ist. Sie sitzen da mit
Ihrer sicheren Gringo-Bildung, Ihrer amtlich geprüften
Männlichkeit und Ihrem netten katholischen Schuldgefühl
und denken, es ist eine verdammte Sünde, wen ich
liebe.«
Ein lautes Klopfen ertönte von außerhalb des
Bildschirms. Angel drehte den Kopf zu dem Geräusch. In einem
Ton, den Joe noch nie gehört hatte, schrill und dünn
vor Angst, sagte er: »O Gott…«
»Angel… Angel!« Der Bildschirm wurde
schwarz.
Joe rief sofort zurück. Er konnte mit den Cops reden,
konnte sicherstellen, daß sie Angel seine Rechte vorlasen,
konnte sie mit juristischem Jargon beeindrucken…
»Wir bedauern«, sagte das Terminal fröhlich,
»Ihr Anruf kann nicht durchgestellt werden. Das Terminal am
anderen Ende der
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