Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
Vom Netzwerk:
rechtlich bindend?«
    »Sie haben doch gerade ein ganzes Holovideo gesehen, in
dem erklärt wurde, daß Erinnerungen an ein
früheres Leben genau das sind: Erinnerungen. Eufeln bewirkt
nicht, daß Sie sich für diese Person halten. So soll
das nicht laufen.«
    »Zum Teufel mit soll nicht. Gibt es juristische
Präzedenzfälle? Sie sind der Anwalt!«
    Joe sah ihn an. »Tut mir leid«, sagte Brekke nach
einem Moment. »Und ich kann Sie bezahlen.«
    »Das bezweifle ich.«
    Brekke wurde lebhafter. Anscheinend war es das, was er wollte:
Vorstoß und Abwehr, ein Streitgespräch. Joe sagte sehr
bestimmt: »Es gibt sehr wenige Präzedenzfälle im
Reinkarnationsrecht. Ich weiß nicht, auf welche Information
Sie aus sind, und es ist ohnehin nicht mein Gebiet. Aber wenn die
Frage lautet, ob Sie einen ansonsten rechtsgültigen Vertrag
unterschreiben und ihn später mit der Begründung einer
mentalen oder emotionalen Notlage infolge der
Reinkarnationsoperation anfechten können, ist die Antwort
nein. Die Position der Gerichte ist da ganz klar. Ein erweitertes
Gedächtnis ist kein Zustand, der Sie im juristischen Sinne
geschäftsunfähig macht.«
    Brekke nickte. »Ich verstehe.«
    »Gut für Sie.«
    »Und jetzt raus mit Ihnen, zum Teufel, wie?« Das
Grinsen blitzte auf. »Sind Sie immer so spießig, was
den Buchstaben des Gesetzes betrifft, Joe? Und entwickeln Sie
immer so schnell eine Abneigung gegen jemanden?«
    »Pseudo-Unverschämtheit ist nicht so interessant,
wie Sie denken.«
    Brekke lachte und gestand damit einen Treffer ein. Joe sah
widerstrebend, was Jane Flexner, Sandy Ochs und Caroline Bohentin
so anziehend gefunden hatten. Deswegen konnte er Brekke keinen
Deut besser leiden.
    »Ich verschwinde. Danke für die Information. Und
viel Glück für Ihre Operation morgen.«
    Joe wollte Brekke nicht fragen, woher er das Datum kannte. Der
junge Mann trat von der Tür zurück. Seine blauen Augen
leuchteten. Joes Fuß pochte. Er hatte ein saures
Gefühl im Magen.
    »Ist Ihnen aufgefallen«, fragte Brekke,
»daß sie kein einziges Wort über die sexuellen
Nebenwirkungen des Eufelns verloren haben?«
    »Nein.«
    »Sie sollen so gut wie unkontrollierbar sein. Eine
sexuelle Erinnerung, und das gute alte Übergedächtnis
geht direkt in den Schwanz.«
    Joe sagte nichts. Brekke grinste wieder, und Joe schloß
die Tür. Bevor das letzte Scheibchen vom Flur verschwand,
begann Brekke zu pfeifen: Chopin, das Nocturno in e-Moll.
Überrascht hielt Joe inne, dann machte er die Tür
verärgert ganz zu.
    Auf dem Wandbildschirm stand immer noch Robins Botschaft.
PURPURSCHWALBEN FLIEGEN.
    Joe löschte den Bildschirm, wandte sich ab und drehte
sich dann wieder um. Auf einen jähen Impuls hin wählte
er das ABA-Netz an, im nonvokalen Modus.
     
    AMERICAN BAR ASSOCIATION DATENNETZ
    ZUGRIFF BESCHRÄNKT
    KONTONUMMER BITTE
     
    Joe gab sie an und tippte dann ANFRAGE NACH INFORMATIONEN
ÜBER SEUCHENOPFER. EBENE DREI. NAMENSSUCHE MIT
QUERVERWEISEN: CATHERINE BOHENTIN. MINDERJÄHRIG.
    Minderjährig? Bestimmt. Die Mutter konnte nicht
älter als fünfunddreißig sein, selbst unter
Berücksichtigung aller kosmetischen Kliniken der Welt.
Wahrscheinlich war sie noch jünger.
    Das Datennetz gab ihm die nicht privilegierten Informationen
beinahe sofort:
    CATHERINE MARIE BOHENTIN LONG
    GEBOREN AM 2. JULI 2012, NEW YORK, NEW YORK
    AMERIKANERIN
    VATER, GENETISCH/RECHTLICH: CHARLES GORE LONG
    MUTTER, GENETISCH/AUSTRÄGERIN/RECHTLICH: CAROLINE SUSAN
BOHENTIN (KLINE, LONG)
    ERSTE DIAGNOSE: FEBRUAR 2019, JOHNS HOPKINS
    GEGENWÄRTIGER STATUS: MINDERJÄHRIG
    SORGERECHT BEI BIOLOGISCHER MUTTER
    WOHNHAFT MEADOWS HOME
    204 GARDEN ROAD
    ALBANY, NEW YORK
    E-POST 16…288*18J
    ZEUGNISUNTERLAGEN: ÜBLICHE NUMMER EINGEBEN
    POLIZEILICHE AKTE: ZUGRIFF EBENE ZWEI
    KRANKENGESCHICHTE: ZUGRIFF EBENE EINS
    VERMÖGENSVERHÄLTNISSE: ZUGRIFF EBENE EINS
     
    Joe rieb sich die Augen. Er war müder, als er gedacht
hatte. Angels Anruf, Angels sonderbare Stimme hing hinten in
seinen Trommelfellen. Caroline Bohentins Tochter, die auch die
Tochter des Mannes war, der zum nächsten Gouverneur von New
Jersey vorgeschlagen worden war, hatte mit sechs Jahren die
Seuche bekommen. Das Reiben nützte nicht viel; seine Augen
brannten irgendwo hinter den Iris, an einer Stelle, wo er nicht
hinkam.
    Er löschte das ABA-Netz. Der Bildschirm kehrte in den
Nachrichten-Modus zurück: PURPURSCHWALBEN FLIEGEN. Joe
löschte es, schaltete das Glockenzeichen

Weitere Kostenlose Bücher