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Schädelrose

Schädelrose

Titel: Schädelrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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klammerte, was ihm gehörte, daß er
nie aufschaute, um das ganze reiche Angebot dessen zu sehen, was
ihm nicht gehörte. Armer Hund.
    Das vierte Zimmer, direkt gegenüber vom Treppenhaus, war
das von Caroline Bohentin. Robbie zögerte. Zu diesem
hübschen blauen Kleid hatte sie eine dezent mit Diamanten
besetzte goldene Halskette getragen, und an der rechten Hand
einen Diamantring, der eine Wucht war. Und eins der drei
gewaltsam zum Fliegenfenster hin geöffneten Fenster war
ihres gewesen. Sie war unvorsichtig.
    Aber Caroline und er waren beide noch drei Tage hier bis zur
Operation, und einen Monat danach. Robbie wußte, wann
Frauen ihn attraktiv fanden, ganz gleich, was sie sagten, und
auch wenn er mit diesem blöden Seuchenwitz auf der Terrasse
zufällig einen Fehler gemacht hatte. Caroline würde
ihren Groll überwinden. Aber wenn sie jetzt bestohlen wurde,
hatte sie vielleicht für eine Weile nicht mehr so viel
Interesse an Sex. Manche Frauen waren so. Er ging an Carolines
Tür vorbei.
    Der Holovideo-Evangelist, der schäbige Akademiker –
wahrscheinlich hatte er sein Leben lang für das hier gespart
–, das unscheinbare Paar, das bei dem Empfang Händchen
gehalten hatte. Reich, aber zwei Personen bedeuteten doppeltes
Risiko. Er blieb vor der letzten Tür stehen und zog
DeFillippos E-Dietrich hervor.
    Ein leeres graues Quadrat aus Metall mit etwa acht Zentimetern
Kantenlänge und etwas mehr als einem Zentimeter Dicke, hatte
es ihn die Einforderung jeder Gefälligkeit gekostet, die er
je irgendwem erwiesen hatte. DeFillippo hatte den Faserkopf
ausfindig gemacht, der seine geheimnisvollen inneren Komponenten
an geraubten Daten über die Sicherheitseinrichtungen des
Instituts ausgerichtet hatte, und geschworen, daß der
E-Dietrich der beste war, den man auf der Straße bekommen
konnte. Robbie wußte nicht, wie er funktionierte, und es
interessierte ihn auch nicht. Er hatte ihn bei seinem eigenen
Zimmer getestet, und er hatte das Schloß deaktiviert, ohne
irgendeinen Alarm auszulösen. DeFillippo hatte vollkommen
recht gehabt.
    Jetzt funktionierte es wieder. An dem Quadrat in seiner Hand
blitzte ganz kurz ein Licht auf, als sich Felder ineinander
verhedderten, und dann drehte sich der Türknopf unter dem
Membranhandschuh an seiner Hand. Er schlüpfte hinein und
schloß die Tür.
    Absolute Schwärze: vorgezogene Vorhänge, ein leerer
Bildschirm ohne auch nur ein Lichtzeichen für eingegangene
Nachrichten, nicht einmal eine Digitaluhr. Vom Bett kam eine
rhythmische, sumpfige Kakophonie. Robbie grinste. Elle
Watt-Davis, der Möchtegern-Holovideo-Star, schnarchte.
    Als er zuvor versucht hatte, mit dem Miststück ins
Gespräch zu kommen, wobei er so bewundernd und aufrichtig
aufgetreten war, wie er nur konnte, hatte sie ihn wie Luft
behandelt. Er hatte nichts gesagt. Jetzt spürte er die
Brainie in seinen Adern wie einen steten Strom von Sicherheit:
ruhig, zu allem fähig, stark.
    Die Anordnung der Möbel schien bei allen Zimmern in
diesem Stock identisch zu sein. Robbie schob sich am Bett vorbei
und tastete nach der Frisierkommode an der westlichen Wand.
Vorsichtig suchte er die Oberfläche von rechts nach links
ab. Make-up-Tiegel. Stifte.
    Kamm. Papiertücher. Perücke – er lächelte
in die Dunkelheit –, Buch, Mikrovideo. Halskette.
    Sie war schwer und bestand aus einzelnen, großen flachen
Plättchen an einer komplizierten Kette. Robbie hatte sie
früher an diesem Nachmittag in der Eingangshalle an Elle
Watt-Davis’ schlankem Hals gesehen: Sie war afrikanisch und
diente ihr als morbider Blickfang, ein schicker Affront gegen den
guten Geschmack, der die Trivialisierung von Afrikas
endgültigem Untergang durch Politik, Hunger und AIDS
vermied, das in den USA vor zwanzig Jahren unter Kontrolle
gebracht worden war. Die Halskette war wertlos.
    Die Schauspielerin schnarchte, sabberte und drehte sich im
Bett um.
    Robbies Finger streiften etwas Nasses und Klebriges. Er
führte die Hand an die Nase und roch daran:
verschüttetes Make-up. Er wollte sich die Finger an der Hose
abwischen, beherrschte sich jedoch, hielt vorsichtig seine
Hosentasche auf und wischte sich den Handschuh in der Tasche
ab.
    Kassetten. Pillenschachtel. Ein rechteckiges
Kästchen.
    Er fühlte glattes Holz mit abgerundeten Ecken, einen
schlichten Schnappverschluß aus Metall. Er runzelte die
Stirn. Ein Schmuckkästchen würde ein E-Schloß und
ein Metallgehäuse haben. Und so dumm

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