Schädelrose
Klein, in diesem Licht sehen Sie meiner
Schwägerin Laura sehr ähnlich – obwohl Sie
natürlich hübscher sind. Wie geht’s Tom? Hat er
die Garage inzwischen streichen lassen?«
»So leid es mir tut, das ist nicht Missis Klein, Mister
Holiworth«, warf Joe ein. »Ihr Name ist
Caroline.«
»Aber natürlich, Doktor. Tut mir leid, meine Liebe.
Sie müssen einem überlasteten Mann vergeben. Ich sage
dem Doktor hier nun schon seit Tagen, daß ich einfach
bloß überarbeitet bin. Glauben Sie, er hört auf
mich? Ärzte haben so viel Wissen im Kopf, da ist kein Platz
mehr für gesunden Menschenverstand.« Er lächelte
breit und strahlte Caroline an, die aussah, als ob ihr schwindlig
wäre.
Joe erwiderte das Lächeln. Er sprach nicht zum erstenmal
mit Korsakow-Patienten. »Ehrlich gesagt, Ihr Arzt ist noch
gar nicht hier, Mister Holiworth. Mein Name ist Joe McLaren. Ich
bin Anwalt.«
Holiworths Benehmen änderte sich vollständig. Er
wurde ruhig und professionell und musterte Joe prüfend.
»Eine Anwaltspraxis. Nun, Sir, ich will Ihnen sagen,
daß Sie zum Kopieren Ihrer Dokumente nichts Besseres als
einen Xerox 1340 finden können. Natürlich haben Sie von
mir erwartet, daß ich das sagen würde, aber ich
spreche jetzt nicht als Xerox-Vertreter. Ich spreche als jemand
mit dreiundzwanzig Jahren Erfahrung in diesem Geschäft, der
noch nie einen Kunden schlecht beraten hat. Und ich habe für
sie alle gearbeitet, Mister McLaren – Big Blue, Ricoh,
Ki-Taik – und während all dieser Zeit habe ich kein
Gerät gesehen, das es mit dem 1340 aufnehmen kann. Gerade
erst vor drei Monaten rausgekommen, und die Reaktion der Kunden
ist ganz phantastisch, besonders – wenn ich das mal sagen
darf – bei den Rechtsanwälten, mit denen wir stolz
sind, Geschäfte zu machen. Aber Sie brauchen sich nicht auf
mein Wort zu verlassen, und ich möchte auch gar
nicht, daß Sie sich auf mein Wort verlassen. Ich
möchte, daß Sie selbst urteilen, was diese
revolutionäre Technologie für Sie tun kann. Das ist der
Papierschacht, und hier drüben stellen Sie das Gerät
entweder auf ein Originaldokument oder auf eine formatierte oder
unformatierte elektronische Eingabe ein…« Holiworth
begann in der Luft herumzufuchteln; er zog Schubfächer auf
und schloß sie, drückte Knöpfe und schaute auf
Bildschirme und Displays, alles mit äußerster
Überzeugung. Hin und wieder sah er Joe zuversichtlich und
mit einem vergnügten Lächeln an, ein Mann, der ganz in
seiner Arbeit aufging und dabei glücklich war. Joe warf
Caroline, die unnatürlich still dastand, einen Blick zu.
Schließlich kam Holiworth zum Ende; er schloß mit
einer enthusiastischen Erörterung der Preisunterschiede und
der diversen Ausführungen. Er strahlte Joe an.
»Danke, Mister Holiworth. Wir werden darüber
nachdenken und uns dann wieder mit Ihnen in Verbindung
setzen.«
Holiworth schaute erstaunt drein. »Nachdenken?
Worüber?«
»Über den Kauf.«
Ein Grinsen erstrahlte auf dem Gesicht des Mannes; es war wie
ein Sonnenaufgang. »Sie sind hier, um Gummibärchen zu
kaufen! Da werden sich die Kinder aber freuen – glauben Sie
mir, die haben sich bei dieser Spendensammlung schwer ins Zeug
gelegt. Die Wölflinge darf man nicht unterschätzen. Wie
viele Tüten?« Er wandte sich an Caroline. »Mary,
geh und sag Billy und Danny, sie sollen mit ihren Bestellzetteln
rauskommen. Und die Bleistifte nicht vergessen.«
»Ein andermal«, sagte Joe. »Wir müssen
jetzt wirklich gehen. Wiedersehen, Mister Holiworth.«
»Und möge Gott mit Ihnen sein«, sagte
Holiworth und machte das Kreuzzeichen. »Mit Ihnen und Ihrer
hübschen Gemahlin.«
Joe nahm Carolines Arm und zog leicht daran. Holiworth winkte
ihnen mit beiden Händen nach, bis sie den Hof verlassen
hatten. Die nur von einer Seite zu öffnende
Sicherheitstür fiel hinter ihnen ins Schloß.
»Das hat Sie sehr mitgenommen«, sagte Joe leise.
»Tut mir leid.«
»Er ist… kein menschliches Wesen mehr.«
»Das ist aber ziemlich hart.«
»Kann sein. Nein. Er hat kein… kein Zentrum.
Nichts verbindet ihn mit einer realen Vergangenheit, die wirklich
seine ist. Außer vielleicht ansatzweise, als er Ihnen
diesen Kopierer andrehen wollte. Da schien er sich zu
beruhigen.«
»Möglich, daß er mal Vertreter für
Kopierer war. Obwohl Xerox-Ricoh den 1340 schon seit zwanzig
Jahren nicht mehr herstellt, glaube ich.«
»Was löst das Korsakow-Syndrom aus?«
»Viele
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