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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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mischte sich die Tochter ins Gespräch ein, „das hat er sicher nicht nötig gehabt.“ Dass sie dabei die Betonung auf das „er“ legte, wertete Schäfer als Angriff auf ihre Mutter, was ihm wieder den Bergführer in Erinnerung rief.
    „Ich möchte nicht indiskret sein … aber Ihre Tochter hat vorhin etwas erwähnt von einem Bergführer.“
    „Josef Rohrschacher“, kam es ohne Umschweife, „ich hatte eine Affäre mit ihm, die knapp ein Jahr dauerte, aber das ist schon eine Ewigkeit her. Damals war er ja auch noch, na ja … wir haben die Beziehung jedenfalls in gegenseitigem Einverständnis beendet.“
    Schäfer schluckte. Der Rohrschacher? Dieser Trunkenbold? Gut, er war groß, kräftig und konnte sicher auch charmant sein – aber mit dieser Frau?
    „Sie kennen ihn“, holte ihn Frau Steiner aus seinen Gedanken.
    „Flüchtig“, antwortete er, „ich hab ihn vor kurzem in einem Gasthaus getroffen.“
    „Wo sonst“, stellte sie mit dem Anflug eines Lächelns fest, um dann abrupt aufzustehen.
    „Wenn Sie noch mehr Fragen haben, würde ich Sie bitten, morgen nochmals zu kommen. Ich habe heute Abend noch eine Verabredung“, sagte sie zu Schäfers Überraschung, die bald einer gewissen Erleichterung Platz machte.
    „Ja, falls es noch Fragen gibt, melde ich mich morgen.“ Schäfer packte das Album weg und stand auf. Er gab ihr die Hand und verabschiedete sich.
    „Sarah begleitet Sie sicher gerne hinaus“, sagte Frau Steiner mit einem spitzen Unterton und räumte die Gläser weg.
    Steiners Tochter stand sofort auf und ging vor Schäfer zur Tür. Er wollte sich eben verabschieden, als seine Neugier endgültig die Oberhand gewann.
    „Ich weiß, dass es unhöflich ist … aber warum schaut Ihre Mutter so verschreckt?“
    Sie sah ihn grinsend an, als hätte sie nur auf diese Frage gewartet.
    „Sie hat letztes Jahr bei einer Charity-Gala einen Schönheitschirurgen aus Florida kennengelernt. Waren wohl verknallt, die beiden – jedenfalls ist sie immer wieder zu ihm hinüber und mit dem gleichen Gesicht zurück. Dann hat sie die Gelegenheit wohl doch nicht auslassen wollen, hat aber leider übersehen, dass der Herr Chirurg dank seines Whiskykonsums kein so ruhiges Händchen mehr hat. Zack, verschnitten und ihren Nervus facialis erwischt. Jetzt schaut sie aus wie ein Munch, oder?“
    „Gibt es sonst irgendetwas, das Sie mir über Ihre Eltern erzählen möchten?“
    Sie schaute ihm fragend in die Augen und blickte dann über seine Schulter hinweg ins Freie.
    „Nein“, hielt sie ihm ihre Hand hin.
    Er wusste nicht recht, ob sie von einem Polizisten aus Wien einen Handkuss erwartete, beschränkte sich jedoch darauf, ihr die Hand zu schütteln.
    Zügig fuhr er vom Steiner’schen Grundstück ab. Unterwegs beschloss er, Danninger den Subaru sofort zurückzubringen. Falls er am nächsten Tag ein Auto bräuchte, würde er sich eins von seinen Kollegen ausleihen. An diesem Abend reichten seine Füße aus, um ihn dorthin zu bringen, von wo er sich eigentlich lieber eine Zeitlang ferngehalten hätte. Schäfer seufzte, als er den Wagen vor dem Pfarrhaus abstellte. Wohl oder übel sollte er heute noch Rohrschacher treffen.

21
    Schäfer sperrte die Tür seines Hotelzimmers auf, trat ein, ging zum Telefon, rief den Zimmerservice an und bestellte eine Kanne Pfefferminztee. Nachdem er seinen Computer hochgefahren hatte, nahm er ein Handtuch und ging auf den Balkon, um den Tisch und seinen Liegestuhl abzutrocknen. Das Album … er wollte es aufs Revier bringen, damit Halder die Fotos scannen konnte. Er überlegte kurz, nahm das Telefon heraus und rief am Posten an. Aufschnaiter meldete sich und berichtete ihm über die Ergebnisse ihrer Arbeit: Aus Steiners Geschäftskontakten hatte sich noch kein Hinweis auf jemanden ergeben, der ernsthaft tatverdächtig wäre. Gut, laut Aussagen von zwei ehemaligen Mitarbeitern gab es genug Leute in der Region, die auf Steiners Ableben womöglich mit einem Glas Champagner anstießen – spontan gekündigte Familienväter, ehemalige Geschäftspartner –, aber keinen, dem man ein dermaßen brutales Verbrechen zutraute – ganz zu schweigen von jemandem, der alle drei Mordopfer aufs Tiefste gehasst hatte. Schäfer war nicht weiter verwundert. Nach allem, was er bisher erfahren hatte, ging es hier um keine der üblichen Betrügereien und Übervorteilungen, mit denen die heimischen Hyänen ihre Skrupellosigkeit in Geld verwandelten. Die Geschichte war älter und die Wunde saß tiefer.

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