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Schäfers Qualen

Schäfers Qualen

Titel: Schäfers Qualen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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Verhältnis zu freuen, das sich zwischen ihrer Tochter und Schäfer entwickelt hatte. Allerdings war sie auch pragmatisch genug, nach dem Essen in die Hände zu klatschen, ihre sich kurz sträubende Tochter hochzuheben und nach einem Kuss für Marc und Schäfer ins Bett zu bringen.
    Nach einem Moment des Schweigens, das Schäfer jedoch als sehr angenehm empfand, zündete er sich eine Zigarette an und machte Marc ein Kompliment, wie klug und gut erzogen seine Tochter sei.
    „Das musst du eher Maria sagen“, erwiderte Marc und füllte Schäfers Weinglas auf, „ich bin selbst immer wieder überrascht, was sie alles weiß. Aber dass sie gut erzogen ist: Danke, das hab ich selbst nicht bemerkt“, lachte er und hielt sein Glas zum Anstoßen hoch.
    „Auf die wunderbaren Frauen“, sagte Schäfer, ohne lang nachzudenken.
    Marc sah ihn kurz prüfend an und meinte dann, dass sie den Tisch abräumen sollten, bis Maria zurück wäre. Was Schäfer nur recht war.
    „Sehr brav“, bemerkte Maria, als sie in den Garten zurückkam und den sauberen Tisch sah, „habt ihr mir auch noch Wein übrig gelassen?“
    Marc drehte mit einem bedauernden Blick die leere Flasche über ihrem Glas um, griff dann neben sich und holte die zweite hervor.
    Nach einer Weile, in der die Konversation von der Klarheit des Sternenhimmels zu Katharinas ersten Radfahrversuchen und anderen harmlosen Themen gesprungen war, fühlte sich Schäfer angenehm berauscht. Seine Anspannung war einem seltenen Zustand der sorgenlosen Klarheit gewichen. Er sah den zärtlichen Blick, den Marc und Maria austauschten, wie sie kurz seine Hand streichelte, wobei sich die Ringe nahe kamen, mit denen sie die Ewigkeit ihrer Liebe besiegelt hatten; wie es ihr nach mehrmaligen Versuchen gelang, ein angezündetes Teelicht in einem bauchigen Glasbehälter zu versenken, ohne dass die Kerze erlosch, ihre mädchenhafte Fröhlichkeit, gesteigert vom zweiten Glas Wein, die Blicke, die sie Schäfer zuwarf, beladen mit einer gemeinsamen Geschichte, die nur sie beide wahrhaft erzählen konnten, ihre Schönheit, die ihn kurz stach, fast ohne nachzuschmerzen, weil er sie glücklich wusste mit dem Mann, der Maria bedingungslos vertraute, und dessen Zuneigung sie gewiss noch mehr zu schätzen wusste, weil er dennoch nie vor den beiden schlafen gegangen wäre und sie allein im Garten mit dem Mann aus der Vergangenheit zurückgelassen hätte; eine Vorsicht, die als Kompliment zu werten war, dachte Schäfer, dem der Gedanke, allein an Marias Seite zu sein, vielleicht auch mehr aus grundsätzlichem Bedürfnis nach Zuneigung im Kopf kreiste denn als tatsächlicher Wunsch, dessen Erfüllung der fortschreitende Abend und der zunehmende Weinkonsum hätten näher bringen können; wie es sich beispielsweise zwischen ihm und Kerstin Unseld ergeben hatte, die Schäfer trotz ihrer Intelligenz und ihres Witzes nicht an sich herankommen lassen konnte, wie ihm jetzt bewusst wurde, weil sie nie mithalten würde können mit der Ikone, die er in seinem Herzen trug, in deren Schein er sich nun sonnte; dann würde sie wieder weg sein, kurz würde ihn frösteln, er würde einen Pullover überziehen, doch irgendwo war sie immer, nur dessen musste er sich gewiss sein, wie sollte er sich auch lösen, wenn sie selbst ihrer Tochter versicherte, dass Schäfer sie beschützte, was gar nicht der Fall war, so gern er sich in dieser Rolle auch gesehen hätte; Marc war der Mann hier in seiner archaischen Bedeutung, der eine Kraft und Sicherheit ausstrahlte, die er auch von Maria bezog, und sie eine Schönheit, der er den Scheinwerfer stellte, sie waren ganz, dachte sich Schäfer, während im Vordergrund von Kultur, Chronik und Politik gesprochen wurde, bis der Name Obernauer fiel.
    „Kann man das eigentlich jemals beweisen, dass er sich nicht selbst erschossen hat?“, führte Marc Schäfer wieder auf den einigermaßen sicheren Boden seiner Arbeit zurück.
    „Nein“, erwiderte Schäfer, „die Eintrittswunde war zwar am Scheitel – wonach die Pistole senkrecht von oben auf den Kopf gehalten worden sein muss –, aber für einen Selbstmord gibt es eben keine genormten Vorschriften. Und untypisch heißt nicht unmöglich.“
    „Und wenn, dann sind seine Mörder ohnehin schon genug bestraft worden“, meinte Maria, deren Stimme der Rotwein schon deutlich anzuhören war.
    „Höchstwahrscheinlich … ja“, antwortete Schäfer.
    „Wieso wahrscheinlich?“, wollte Marc wissen.
    Schäfer zündete sich eine Zigarette an und

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