Schäfers Qualen
… Gut, bis später, danke.“
Schäfer legte das Telefon beiseite, zog sich aus und ging ins Bad. Diesmal half Danningers Seife nicht. Er trocknete sich ab und zündete sich eine Zigarette an. Zweimal gab er die falsche Kombination am Safe ein, bevor er sich erinnerte, dass er nicht wie üblich seine Telefonnummer, sondern die Kitzbüheler Postleitzahl als Code gewählt hatte.
Er nahm die Glock aus dem Holster, überprüfte Schlitten, Magazin und Abzug. Maria würde nicht begeistert sein, wenn er mit einer Waffe zu ihr kam, aber für die nächsten Tage sah er keine andere Wahl. So genau er die Beweggründe und den Ablauf der Verbrechen zu kennen glaubte, so wenig konnte er die Bereitschaft des Täters einschätzen, gegen ihn selbst gewaltsam vorzugehen. Einiges sprach dafür, dass er damit rechnete, erwischt zu werden. Einiges sprach auch dafür, dass er in Schäfer mehr einen Helfer als einen Verfolger sah. Vielleicht wollte er sogar erwischt werden. Darüber zu spekulieren, war so unsinnig wie gefährlich. Schäfer zog eines seiner neuen Hemden an, wischte mit einem nassen Handtuch über seinen Anzug und machte sich ausgehfertig.
„Du bist zu früh“, sagte Maria vorwurfsvoll, als sie Schäfer die Tür öffnete, „ich bin noch nicht einmal mit den Haaren fertig.“
„Entschuldige.“ Schäfer betrachtete mit einem zärtlichen Blick den weißen Handtuchturban auf ihrem Kopf. „Sieh es einfach als staatlich bezahlten Personenschutz.“
„Na, da frag ich mich doch, vor wem ich da Schutz brauche“, antwortete sie und ließ ihn ins Haus. „Ich brauche noch eine Viertelstunde. Setz dich inzwischen zu Marc auf die Terrasse.“
Schäfer zögerte einen Moment. Zu seiner Erleichterung kam plötzlich die Tochter der beiden ins Wohnzimmer gelaufen und blieb mit offenem Mund und in sicherer Entfernung vor ihm stehen. Lächelnd ging er in die Hocke, um sie zu begrüßen, zugleich fiel ihm ein, dass er ihren Namen vergessen hatte.
„Hallo, kleine Prinzessin … begleitest du mich zum Papa hinaus?“
Die Erwähnung ihres Vaters entspannte das Mädchen sichtlich, sie ging auf Schäfer zu, nahm ihn wie selbstverständlich bei der Hand und führte ihn in den Garten.
Marc saß in einem Autoreifen, der mit einer dicken Kette am Ast eines Kirschbaums befestigt war. Als er die beiden sah, stand er auf und ging ihnen entgegen. Seine Tochter ließ Schäfers Hand los und lief mit erhobenen Armen auf ihren Vater zu, der sie aufhob und auf seinen linken Arm setzte, während er Schäfer die rechte Hand hinhielt.
„Hallo Johannes, ich bin Marc“, sagte er freundlich und musterte seinen Gast.
„Hallo, Marc“, antwortete Schäfer und überlegte verkrampft, was er als Nächstes sagen könnte. Zum Glück ließ Marc das von Schäfer befürchtete verlegene Schweigen gar nicht erst aufkommen.
„Du magst sicher etwas zu trinken, oder? Bier, Wein, einen Saft?“
„Erstmal einen Saft, danke“, sagte Schäfer und setzte sich erleichtert auf einen Gartenstuhl in der Wiese.
„Bleibst du beim Johannes, Katharina?“, wandte sich Marc an seine Tochter, die unschlüssig zwischen den beiden Männern stand.
„Womit spielst du denn am liebsten, Katharina?“, bemühte sich Schäfer um das Vertrauen der Kleinen. Sie schaute ihn kurz an und lief ihrem Vater nach.
Wunderbar, dachte Schäfer, wie die Mutter so die Tochter. Doch entgegen seiner Annahme war Katharina nicht vor ihm geflohen, sondern hatte nur eine Puppe und ein Stoffeinhorn aus dem Wohnzimmer geholt, die sie nun vor Schäfer in die Wiese stellte.
„Das ist aber eine schöne Puppe“, sagte Schäfer und dachte fast gleichzeitig, dass ihm ruhig was Besseres einfallen hätte können. Katharina schien dieser Standardsatz jedoch gerade recht: Das Kompliment an ihre Puppe funktionierte wie ein Codewort, das ihre Verlegenheit brach.
„Die heißt Sissi und das ist ihr Einhorn, mit dem kann sie reiten und fliegen und schwimmen.“
„So ein Einhorn hätte ich auch gern.“
„Die Mama kann dir eines schenken … musst du nur brav sein.“
„Ah, du hast Sissi schon kennengelernt.“ Marc kam mit einem vollen Krug und drei Gläsern zurück.
„Ja, wunderbares Tier.“
„Setzen wir uns?“, schlug Marc vor, ging zum Terrassentisch, stellte die Gläser ab und füllte sie auf. „Katharina, komm, hier ist ein Saft für dich.“
Das Mädchen schaute kurz zu ihrem Vater, streichelte ihre Puppe und das Einhorn, flüsterte den beiden etwas zu und lief dann zum
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