Schaenderblut - Thriller
zitterte.
»Ich versuche, Hilfe zu bekommen. Das musst du mir glauben. Wenn ich eine Wahl hätte, würde ich das alles nicht tun, aber ich kämpfe gegen diesen Fluch an – gegen diese Krankheit! Sie treibt mich in den Wahnsinn! Ich weiß nicht, was ich noch tun soll!« Sein Blick suchte ihren, als könnte er die Antwort aus Alicias Augen ablesen.
»Also willst du diesem Drang einfach nachgeben? Du wirst ihn auch aufessen – und was wird dann aus mir? Joe, was ist, wenn es keine Wunderheilung gibt? Was ist, wenn du diesen Damon Trent tötest und dein Hunger trotzdem nicht nachlässt?«
»Darüber will ich nicht nachdenken.«
»Du musst darüber nachdenken! Du musst lernen, es zu bekämpfen, sonst wirst du immer weiter töten, bis sie dich schnappen und einsperren oder auf den elektrischen Stuhl setzen!«
Joe lehnte sich an die Seitenwand des Lieferwagens, offenbar tief in Gedanken versunken. Er streichelte Alicias Gesicht.
»Du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Weißt du das?«
»Ich glaube dir nicht und ich glaube auch nicht, dass es eine Rolle spielt!«
Joe fuhr zusammen und riss die Augen weit auf. Alicias harsche Erwiderung hatte ihn sichtlich getroffen.
»Wenn du nicht so schön wärst, hätte ich dich längst aufgegessen. Das kannst du mir glauben!«
Nun war es an Alicia, zusammenzuzucken. Sie starrte den großen Mann mit dem Superheldengesicht an und merkte überrascht, dass er sie angrinste und ihr zuzwinkerte. Eine bizarrere Situation konnte sie sich kaum vorstellen. Da hockte sie neben einem Serienmörder, der eine Frau verputzt und den Mann, mit dem sie seit Stunden zusammen in diesem Lieferwagen eingesperrt war, teilweise verzehrt hatte. Und nun saß er hier und riss Witze über ihren eigenen Tod. Noch während sie lachte, flossen ihr die ersten Tränen über das Gesicht. Joe wischte sie weg und starrte sie dabei die ganze Zeit an wie ein Heiligtum. Alicia lächelte ihm zu, konnte aber nicht verhindern, dass sie weinte.
»Ich hoffe doch, dass ich für dich mehr als ein hübsches Gesicht bin. Das allein reicht nicht, um eine Beziehung aufrechtzuerhalten, weißt du. Ich meine ... du kennst mich kaum«, plapperte sie wild drauflos. Ihre Stimme zitterte vor Furcht, aber sie bemühte sich, nicht durchzudrehen.
»Ich weiß, dass du ebenfalls verletzt worden bist«, erwiderte Joe. »Ich habe es in deinen Augen erkannt, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Du schleppst eine tiefe Wunde mit dir herum, genau wie ich. Aber du hast es überwunden. Du bist eine Kämpferin. Selbst in dieser Situation schlägst du dich erstaunlich gut. Das sagt mir, dass dir in deinem Leben schon eine Menge schmerzhafter Dinge widerfahren sind.«
»Nichts, was mit dem hier vergleichbar wäre«, entgegnete sie.
»Womit dann?«
Alicia schwieg.
»Verrat’s mir. Du kannst mir alles anvertrauen.« Er griff nach ihren Händen und hob sie an seine Lippen, um sie zärtlich zu küssen. Ihr Körper wurde von einem heftigen Schluchzen durchgeschüttelt. Joe nahm sie in den Arm und hielt sie fest. »Komm schon, sag’s mir.«
»Ich habe meinen Vater verführt und er ... er beging Selbstmord. Er erschoss sich und es war allein meine Schuld. Ich bin eine dreckige Hure, genau wie er sagte! Ich habe meinen eigenen Vater auf dem Gewissen!«
Joe tat gar nicht erst so, als könnte er nachvollziehen, wie ihr jetzt zumute war oder was sie dazu getrieben hatte, mit ihrem Vater zu schlafen. Er wusste, dass er es nie verstehen würde, genauso wenig wie sie begriff, warum er nach Menschenfleisch gierte. Stattdessen streichelte und wiegte er sie sanft in seinen Armen.
»Ich vergebe dir«, sagte er, als er sie an seine Brust drückte. »Ich vergebe dir.«
Joe weinte mit ihr, während er sie fest in den Armen hielt. Frauen waren so schön, wenn sie traurig waren. Im Mondschein, der durch die Windschutzscheibe auf ihr Gesicht fiel, glänzten Alicias Tränen auf ihren Wangen wie eine Kette aus Diamanten. Es brach Joe das Herz. Er beugte sich herunter und küsste ihre feuchte Haut, leckte ihr die salzigen Tränen von den Lidern.
Sie wich vor ihm zurück und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Dann sah sie ihren Entführer in der Erwartung an, mit der mörderischen Begierde konfrontiert zu werden, die sie nur zu gut kannte. Stattdessen empfing sie eine schockierend väterliche Zärtlichkeit. Seine Augen warfen ihre eigene Traurigkeit auf sie zurück, als hätte ihr Schmerz ihn verwundet. Es war eine Tiefe an
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