Schärfentiefe
ausgetauscht und die Wohnung wieder verschließbar. Sie beseitigten die größte Unordnung und Paula bestand darauf, eine Kommode vor die Eingangstür zu schieben. Nach der Arbeit saß sie wie versteinert im Wohnzimmer und starrte die leere Wand an, wo früher der Computer gestanden war. Dieser Verlust war für sie vergleichbar mit dem eines Teils ihres Gehirns. Damit musste sie erst einmal klarkommen. Kurt holte unterdessen aus der Abstellkammer die Reste der weißen Farbe und begann, die Sprayschrift zu übermalen. Es dauerte nicht einmal eine halbe Stunde, dann war von dem Spuk in der Küche nichts mehr zu sehen. Er stellte Teewasser auf und legte einige der mitgebrachten Weihnachtskekse auf einen Teller.
„Glaubst du ernsthaft, dass dieser Einbruch etwas mit Urban zu tun haben könnte?“ Nur langsam erwachten Paulas Lebensgeister wieder.
„Ich weiß es nicht. Aber wenn ich es mir recht überlege, dann spricht einiges dafür. Bis auf deinen Computer wurde nichts gestohlen, auch mein Zimmer haben sie verschont. Weder meinen Laptop, der wohl einen höheren Wiederverkaufswert hat als deine Hardware, noch den Fernseher haben sie angerührt. Das alles spricht gegen eine organisierte Bande, die aus dem Einbruch Geld herausschlagen möchte, und für jemanden, der dir einen Schrecken einjagen und dich bei der Arbeit behindern will.“
„Aber das ist doch absurd, wem könnten meine Recherchen denn gefährlich werden? Ich hab doch nichts herausgefunden, was irgendwem außer Urban unangenehm sein könnte, und der ist ja schon tot.“
„Ich versteh es ja auch nicht. Aber die ganze Angelegenheit ist reichlich dubios. Wir können im Moment nichts weiter tun als abwarten und Tee trinken.“
Mit diesen Worten reichte er Paula eine Tasse. Der Tee schmeckte würzig nach Kräutern. Ein wenig bitter zwar, aber das passte zum Anlass.
„Aber wenn die glauben, dass ich mich von so was einschüchtern lasse, dann haben sie sich geschnitten. Jetzt erst recht.“ In Paula flackerte ein Funke des üblichen Kampfgeistes auf und sie schlug mit der Faust auf die Couch. Zu mehr reichte es dann doch nicht mehr. Es überkam sie ein solches Gähnen, dass sie glaubte, ihre Kiefer würden sich ausrenken. Sie brabbelte noch etwas von Einbrecherschweinen und Diebsärschen, dann fielen ihr die Augen zu und sie sank in die Kissen. Kurt rückte ihren schlaffen Körper zurecht und deckte sie gut zu. Für den Fall, dass sie früher munter würde, ließ er ein Licht an. Doch bei der Menge Baldrian, die er in den Tee getan hatte, würde sie wohl bis in den frühen Morgen schlafen.
Als Paula endlich aufwachte, dauerte es eine ganze Weile, bis sie sich zurechtfand. Als die Erinnerung an den Einbruch und an Markus langsam wieder einsetzte, zog sie sich die Decke über den Kopf und wünschte sich weit fort, zurück ins Traumland. Aber es half nichts. Im Moment war alles beschissen, und daran änderte auch die Wintersonne nichts, die mühsam versuchte, die Wolkendecke zu durchbrechen.
Paula horchte, aber kein ungewöhnliches Geräusch drang an ihr Ohr. Trotzdem klopfte ihr Herz schneller als sonst, als sie allen Mut zusammennahm und ins Vorzimmer ging. Die Kommode stand unverändert an der Stelle, wo sie sie gestern Abend hingestellt hatten. Niemand hatte in der Nacht versucht, nochmals in die Wohnung einzudringen. Zwar waren die meisten Spuren des Einbruchs weggeräumt, doch die Erinnerung war allzu frisch. Am liebsten hätte sich Paula in ein Kämmerchen gesetzt, abgeschlossen und wäre erst wieder im Frühjahr herausgekommen. Sie genierte sich vor sich selbst, aber keine zehnPferde hätten sie in die Küche gebracht. Unvorstellbar, wenn die rote Schrift vom weißen Anstrich nicht gänzlich überdeckt worden wäre. Die Drohung auf nüchternen Magen hätte sie nicht verkraftet.
Also schlurfte sie zurück ins Wohnzimmer. Aber da war ja kein Computer mehr. Im Normalfall hätte sie jetzt Elsa Tins Namen eingetippt und sicher wieder einige Einträge gefunden, in denen dieser vorkam und die sie weitergebracht hätten. Da fielen Paula die Ausdrucke von Markus ein, die er ihr vor einiger Zeit gebracht hatte. Wo waren die bloß? Schließlich fand sie sie, begraben unter einem Haufen von Papieren, die sie gestern vom Boden aufgeklaubt hatte. Den letzten Ausdruck der Biografie, den sie gemacht hatte, bevor sie losgefahren waren, konnte sie nicht finden. Sie versuchte sich abzulenken und überflog alle Artikel, aber nirgendwo war etwas von einem Skandal zu
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