Schärfentiefe
lesen oder einem unerklärlichen Tod.
Der Weg in die Nationalbibliothek würde ihr nicht erspart bleiben. Die Informationen, die Tante Irma hatte, stammten vermutlich aus bunten Boulevardmagazinen, die ihre Existenz dem Auf und Ab im Leben der Prominenten verdankten. Vielleicht fand sie in der Bibliothek in den alten österreichischen Illustrierten und Zeitschriften einen Hinweis.
Sie wollte gerade aufstehen, um die Öffnungszeiten der Nationalbibliothek während der Ferienzeit im Internet nachzusehen, als ihr einfiel, dass auch das nicht möglich war, genauso wenig wie das Wiederherstellen der verlorenen Daten und der vielen Arbeit, die sie vergebens gemacht hatte. Alles war weg. Ob aus Jux oder aus Berechnung war ihr völlig egal. Es überkam sie eine solche Wut, dass sie hemmungslos zu weinen begann. Dann hechtete sie in die Küche, es war ihr mit einem Mal so was von egal, ob da dieser Spruch noch zu sehen war oder nicht, und mit einem Schrei zertrümmerte sie einen Teller nach dem anderen von dem hässlichen Service mitBlumenmuster, das sie vor Jahren von einer Tante geschenkt bekommen hatte und das seither ein einsames Dasein im obersten Fach des Küchenschranks gefristet hatte.
„Mit mir nicht. Ihr Schweine. Vielleicht lässt sich ja jemand anderer einschüchtern. Aber ich nicht. Da. Und da.“ Und sie knallte ein Stück nach dem anderen auf den Boden, und mit jedem, das beim Aufprall in unzählige Splitter zerbarst, fühlte sie sich etwas besser.
Erst da bemerkte sie Kurt, der verschlafen im Türrahmen lehnte, aufgeschreckt vom Lärm. Der Küchenboden war von Scherben übersät.
„Wie ich höre und sehe, bist du schon munter. Was hältst du davon, auf den Cobenzl zu fahren und nach einem üppigen Frühstück mit Blick über Wien einen ausgedehnten Winterspaziergang zu machen? Haben wir eine Rodel?“
„Glaubst du, dass dort überhaupt noch Schnee liegt?“
„Aber sicher. Außerdem hat es letzte Nacht geschneit.“ Tatsächlich. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass alles von einer dünnen Schneeschicht bedeckt war und es schneite noch immer. Verrückt.
„Hast du Clea schon angerufen und ihr gesagt, dass das Schloss ausgetauscht wurde?“, fragte er weiter.
Nein, hatte sie natürlich nicht. Tat es aber sofort. Clea war über Weihnachten bei ihrer Mutter und schlief noch, wie diese am Telefon erklärte. Aber sie würde es ihr ausrichten, sobald sie aufgestanden war.
Paula war froh, dass Kurt da war. Sie machten sich fertig und zogen sich schneefeste Kleidung an. Als Paula das Handy aus der Handtasche ziehen wollte, fiel ihr Blick auf das Kuvert. Sie hatte es bei all der Aufregung vergessen. Neugierig riss sie es auf und schüttete den Inhalt auf den Wohnzimmertisch. Es enthielt fünf Fotografien, auf denen zwei Männer abgebildet waren, diesich ganz offensichtlich gut unterhielten. Auf einer schüttelten sie sich die Hände. Neben den Fotos befanden sich auch mehrere Seiten Papier darin, Ausdrucke von einigen E-Mails aus dem Zeitraum von Juni bis August dieses Jahres.
„Bist du fertig?“ Kurt sah in seiner Daunenjacke zum Ankuscheln aus. „Was hast du da?“ Er trat zu ihr an den Wohnzimmertisch.
„Das war im Kuvert, das mir Frieda Dietl gegeben hat“, Paula legte die Fotografien der Reihe nach vor ihm hin. Er nahm eine nach der anderen und runzelte die Stirn.
„Einer von den beiden kommt mir bekannt vor, aber es fällt mir nicht ein, wo ich ihn hintun soll.“
Paula reichte ihm die E-Mail-Ausdrucke. „Die waren auch noch dabei.“ Kurt überflog sie und schnippte dann mit den Fingern. „Das könnte es sein und das würde auch Sinn machen.“
Paula sah ihn fragend an. Natürlich musste es einen guten Grund dafür geben, dass Urban diese Fotos bei Frieda Dietl in Verwahrung gegeben hatte. Mehr noch, sie mussten so wichtig für ihn gewesen sein, dass er nicht einmal sein Geheimatelier als sicher genug für sie empfand.
„So auf den ersten Blick handelt es sich um ein freundschaftliches Treffen. Aber ich vermute, dass es genau das ist, was Urban herausgefunden hat und mit den Fotos beweisen wollte. Dass diese beiden Herren nämlich keine Informationen in welcher Art auch immer austauschen sollten.“
Paula sah ihn fragend an. Sie hatte nichts von alledem verstanden.
„Geht es noch etwas kryptischer?“
„Ich vermute einmal, dass Urban diese zwei Männer fotografiert hat, weil es wohl irgendeinen Grund gibt, dass diese beiden nicht zusammen gesehen werden sollten. Ich denke
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