Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
Vom Netzwerk:
mehr. Ich lebe in einer Wohngemeinschaft, und es stimmt, dass es dort sehr unordentlich ist und ich dich deshalb nicht mitnehmen wollte. Bitte Paula, gib mir eine zweite Chance. Lässt du mich jetzt hinein, damit wir in Ruhe über alles reden können?“
    Paula dachte nicht daran. Waren das nicht die Sprüche, die alle sagten, die fremdgingen? Nein, das war nicht richtig. Die meisten lebten mit ihren Partnerinnen im Streit und hatten schon seit ewigen Zeiten keinen Sex mehr miteinander. Aber wer konnte das schon überprüfen? Eine Freundin von ihr hatte sich in einen verheirateten Mann verliebt, der ihr schwor, nur noch mit ihr zu schlafen. Dann sah sie ihn nach einem halben Jahr in der Stadt in Begleitung seiner hochschwangeren Frau. So etwas würde Paula nicht passieren.
    „Danke, das hast du schön aufgesagt und jetzt kannst du wieder gehen.“ Sprach es und schmiss die Tür vor seiner Nase zu.
    „Paula, du musst mit mir reden! Du kannst mich nicht einfach so stehen lassen! Es stimmt ja alles gar nicht! Ich habe weder Frau noch Kind. Das habe ich nur gesagt, weil du davon felsenfest überzeugt bist …, damit du mich hineinlässt und ich mit dir endlich in Ruhe reden kann. Das ist alles nur ein Irrtum! Bitte glaub mir doch!“, rief er durch die geschlossene Tür.
    Paula hörte alles. Wie konnte ein Mensch nur so verlogen sein? Hielt er sie für völlig bescheuert, dass er ihr eine Lügengeschichte nach der anderen auftischte und ernsthaft erwartete, dass sie ihm diese auch noch glauben würde? Warum nur betrogen so viele Menschen ihre Partner oder schlitterten in Beziehungen mit Verheirateten? Ein Knopfdruck im Internet und die Suchmaschinen spuckten unzählige Foren aus, in denen über Ehebruch, verheiratete Partner und alle Probleme, die damit verbunden waren, offener diskutiert wurde, als man es lesen wollte. Es drängte sich einem der Eindruck auf, dass fast jeder jeden hinterging. Warum machten die das? War ihnen fad im Kopf, hatten sie keine anderen Stimulanzen in ihrem Leben? Oder stimmte Cleas Theorie, dass alles nur mit den Düften zusammenhing, die bestimmten, ob man jemanden liebte oder nicht, und die alle anderen Werte zweitrangig werden ließen? Wie auch immer, Paula dachte nicht daran, ihm nochmals zu öffnen. Sie liebte ihn noch immer, da gab es keinen Zweifel. Falsch. Sie liebte noch immer den Menschen, mit dem sie die vergangenen Wochen verbracht hatte. Aber der hatte sich als ein Produkt ihrer Fantasie entpuppt. Diesen Lügenbaron, der nun vor ihrer Tür stand und sich nicht entscheiden konnte, welche Version der Wahrheit er ihr auftischen sollte, den mochte sie nicht mehr. Irgendwann gab er auf. Vom Fenster aus beobachtete sie, wie er fortging. Den Blumenstrauß hatte er nicht mehr bei sich. Der lehnte draußen. Und weil sie kein Unmensch war, stellte sie die Blumen in frisches Wasser. Die konnten schließlich nichts dafür, dass Markus solch ein Ekelpaket war.

    3.
    Als Paula das Haus verließ, empfing sie beißende Kälte. Obwohl sie den langen Daunenmantel und hohe Stiefel trug, spürte sie die Minusgrade. Sie zog die Kapuze tief ins Gesicht und war froh, dass das Landtmann nur einen Katzensprung entfernt lag.
    Zwei Gassen, dann musste sie nur noch den Rathausplatz überqueren. Hier waren Handwerker und Budenbesitzer mit den letzten Vorbereitungen für die Silvesternacht beschäftigt. Morgen Nacht würden hier Tausende Menschen Walzer tanzend, von der großen Rutsche sausend und Sektkorken knallend das neue Jahr begrüßen. Viele würden Schweinekappen tragen, die es an den umliegenden Buden zu kaufen gab und die klatschten, wenn man an der Schnur zog. Auf einer großen Bühne würden bekannte Interpreten auftreten und die Wiener Tanzschulen einen Schnellkursus im Walzertanzen veranstalten, damit die Schrittfolge stimmte, wenn die Feiernden aus aller Welt ins neue Jahr schwebten. Paula mochte die Silvesterfeiern auf dem Rathausplatz am liebsten.
    Einmal hatte sie darauf bestanden, in der Innenstadt, direkt beim Stephansdom Silvester zu feiern, mit dem Ergebnis, dass sie vor den herumfliegenden Glasscherben, den Knallern und den Menschenmassen in einen Hauseingang geflohen war, aus dem sie ein Freund nur mit Müh und Not herausholen konnte. Vom Jahreswechsel, dem Läuten der Pummerin und den Walzer tanzenden Menschen, wie das im Fernsehen immer zu sehen war, hatte sie nicht viel mitbekommen. Die Realität war nicht so romantisch gewesen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Vielleicht würde

Weitere Kostenlose Bücher