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Schärfentiefe

Titel: Schärfentiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Mayer-Zach
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einer Lachfigur gemacht. Sie war so naiv, sich in ihn zu verlieben und dieses Gefühl offen zur Schau zu stellen. Für Urban war das keinNachteil. Wie Sie sich vorstellen können, erwarb er sich durch ihre Zuneigung viele Vorteile. Nicht zuletzt beteiligte sie ihn an ihrem Institut, das, auch wenn es heruntergekommen aussieht und Znan immer das Gegenteil behauptet, hohe Gewinne abwirft. Ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass sie sich rächen wollte, als sie erkennen musste, dass er sie nur ausgenutzt hat.“
    „Und wie ist das mit Ihnen? Hatten Sie nicht auch allen Grund, ihn zu ermorden?“
    Wagner schwieg einen Moment. Dann blickte sie Paula geradewegs in die Augen.
    „Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Ich habe eine Zeit lang mit diesem Gedanken gespielt. Ich dachte, er hätte mein Leben und meine Karriere zerstört. Ich hatte sogar schon einen Plan – auch ich hätte ihn im Wasser ertrinken lassen. Darum kann ich nicht an die Unfallvariante glauben. Aber ich war dann doch zu feig. Gott sei Dank. Auf jeden Fall hat er das bekommen, was er verdient hat. Er muss schreckliche Ängste in den letzten Sekunden seines Lebens ausgestanden haben, als er erkennen musste, dass er ertrinken würde.“
    Ein Kellner erschien und bat Gerlinde Wagner, ihm zu helfen.
    „Es hat mich sehr gefreut, dass wir uns nochmals gesehen haben. Falls Sie mal etwas brauchen, zum Beispiel eine Fotoserie, rufen Sie mich an.“
    Sie stand auf, schüttelte allen dreien die Hand und verschwand dann im Gewühl.
    „Wisst ihr, was komisch ist?“, fragte Paula. „Beim letzten Mal hat sie mir noch felsenfest erklärt, dass die Znan niemals morden würde, schon um ihr Institut nicht in Verruf zu bringen, und auch, dass sie über Urbans Doppelleben Bescheid gewusst hätte. Heute klang das eher wie eine Schuldzuweisung. Mir kommt vor, als ob die Wagner von etwas ablenken möchte. Vielleicht hat sie doch den Mut aufgebracht, ihn umzubringen?“
    „Du meinst …“ Ada legte die Stirn in Falten.
    „Ich meine mittlerweile gar nichts mehr. Bei mir hat sich in letzter Zeit so viel getan, dass ich bald verrückt werde. Ich habe entdeckt, dass der Mann, mit dem ich die vergangenen Wochen zusammen war, Frau und Kind hat. Zu Weihnachten wurde in unsere Wohnung eingebrochen und mein Computer geklaut. Heute sagt mir Santo, dass die Auftraggeber verrückt spielen und die Biografie absagen wollen. Wenn du mich fragst, da stinkt etwas gewaltig. Nur bin ich schon so konfus, dass ich mich nicht mehr heraussehe.“
    „Was hat Santo dir denn erzählt? Dass der Auftrag für die Biografie zurückgezogen wurde? Davon weiß ich nichts. Eine offizielle Sache kann das also nicht gewesen sein, sonst wäre sie auf meinem Schreibtisch gelandet. Das heißt, da hat jemand direkt beim Oberboss interveniert. Mir scheint, da wollen einige Leute nicht, dass wir noch weiter herumstochern. Damit wird die Angelegenheit erst so richtig spannend.“

Sechzehn
    1.
    Paula hatte überhaupt keine Lust mehr, Silvester in Wien zu verbringen. Allein der Gedanke daran, wie schön es hätte sein können, in Markus’ Armen ins neue Jahr zu tanzen oder auf einem der umliegenden Berge zu stehen und mit Sekt auf eine gemeinsame Zukunft anzustoßen, deprimierte sie. Die Bemühungen von Clea und Kurt, sie zu einem Bummel entlang der Silvestermeile zu bewegen, scheiterten. Paula wollte sich nicht vorstellen, wie traurig es würde, überall Familien und Pärchen zu sehen und selbst allein zu sein. Auch die Einladung ihrer Eltern lehnte sie ab. Das fehlte gerade noch, dass sie als einsamer Single mit den Eltern auf den Jahreswechsel anstieß. Sicher nicht. Sie beharrte stur darauf, Silvester diesmal allein zu feiern. Was war an dieser vermaledeiten Silvesternacht eigentlich so Besonderes, dass alle wie die Verrückten losrannten, sich krampfhaft bis Mitternacht wach hielten, sich stundenlang auf Partys langweilten, nur um diesen Jahreswechsel zu erleben? Sie würde es sich vor dem Fernseher gemütlich machen, etwas Feines essen, vielleicht sogar selbst etwas kochen. Im Internet gab es so viele Rezepte, da würde wohl eins dabei sein, das auch ihr gelang. Und wenn nicht, so hatte sie noch immer die Vorräte in der Tiefkühltruhe. Und wenn ihr die Augen um elf Uhr zufielen, sollte es auch recht sein. Genau, so würde sie es machen.
    Bereits besser gelaunt versuchte sie nach einem ausgiebigen Frühstück nochmals Doktor Znan unter der Nummer zu erreichen, die auf ihrem Handy abgespeichert war.

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