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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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machte allein seine Stimme. Sie konnte einen treffen wie eine Faust.
    »Die Identität der Person wurde noch nicht ermittelt. Noch immer unbekannt. Alter circa 45, männlich. Das war ja kaum mehr zu erkennen. Wir haben keine Vermisstenmeldung bislang, die auf ihn zutreffen könnte. Auch keine Hinweise auf eine polizeiliche Erfassung vorher. Fingerabdrücke und so. Wir sind noch dran.«
    »Papiere, irgendwelche Anhaltspunkte?«
    »No. Keine Papiere, kein Ring, kein Schmuck. Wurde ihm, scheint's, alles abgenommen vorher. Kein Tattoo, keine auffällige oder größere Narbe bisher, sagt die Medizin, nichts. Auch die Taschen, alles komplett ausgeleert. Sind wohl erst mal auf die Zähne angewiesen.«
    »Haben wir ein verwertbares Foto? War er schon fotografierbar?«
    »Alles schon gemacht. Könnte im Zweifelsfall an die Presse. Würde ich aber noch mit warten, erstmal schauen, was wir herauskriegen. Kann ja eigentlich nicht so schwer sein.«
    »Klamotten? Irgendwas Besonderes?«
    »Auch hier leider nichts Besonderes, nichts Maßgeschneidertes. Alles hochwertig, aber von der Stange. Kann er überall gekauft haben.«
    »Todesursache. Wissen wir schon mehr?«
    »Na ja, dass er regelrecht zerfetzt war, haben wir ja gesehen.« Dick hielt sich den Bauch und blies in die Luft. »Die erste Analyse aus der Medizin lautet: Splitter im Bauch, Verbrennungsanzeichen. Vieles deutet auf einen Sprengsatz hin, meint der Doc, direkt auf dem Bauch explodiert. Handgranate, kleine Bombe, Mine, irgend so etwas. Deswegen auch überall das Blut. Muss er aber erst noch untersuchen, ist alles nur vorläufig bisher und eigentlich noch nichts spruchreif, nichts belegt, wie gesagt. Wir müssen erst den offiziellen Bericht abwarten. Wird mindestens noch bis morgen dauern.«
    Die Tür ging auf, und Frau Klaus steckte den Kopf herein. Frau Klaus klopfte nie. »Alles in Ordnung bei den Herren?«, flötete sie. »Vielleicht noch einen Kaffee?« Allgemeines Kopfschütteln. »Dann geh ich mal. Ich will nämlich noch in die Oper«, und sie fuhr sich durchs Haar. »Tschühüß!«, und fort war sie.
    Behütuns machte nahtlos weiter.
    »Und das Trikot?«
    Mit dieser Frage hatte er sich jetzt direkt an den nächsten in der Runde gewandt. Peter Jaczek. Ausgewiesener Fußballexperte, Gerechtigkeitsfanatiker, Perfektionist. Beinahe schon Pedant – eigentlich wirklich Pedant. Sehr überlegt in allem und äußerst genau, dadurch aber auch extrem entscheidungsunfreudig. Er wurde mit seinen Sachen nie richtig fertig, weil immer noch irgendwo irgendetwas zu klären oder zu recherchieren war. Und so gipfelten seine konkretesten Aussagen jedes Mal in einem entschiedenen »Vielleicht«. Jaczek gehörte zu jener Sorte Menschen, die immer zu spät kamen. Irgendwo in ihrem Leben hatten sie wohl einmal eine viertel oder halbe Stunde verloren, und es schien ihnen völlig unmöglich und außerhalb ihrer Reichweite, diese jemals wieder einzuholen. Also verzettelten diese Menschen sich ständig und kamen nie wirklich zu Potte. An was das bei den anderen dieser Spezies lag, war Behütuns schleierhaft. Bei Jaczek aber hatte er seine Theorie: Jaczeks Vater, das hatte Jaczek einmal auf einer Weihnachtsfeier erzählt, war Schrankenwärter gewesen. Seitdem war Behütuns alles klar. Denn da, so dachte er sich, kommen täglich viele Züge vorbei. Und was macht der Schrankenwärter? Schranke runter, Schranke hoch, Schranke runter, Schranke hoch, vielleicht 200 Mal am Tag. Da darfst du keinen Fehler machen, nicht ein einziges Mal – und das weit über 40 Jahre lang. Wenn du nur ein einziges Mal vergisst, die Schranke zu schließen, oder wenn du aus Versehen zwischen zwei Zügen einmal aufmachst und die Zeit reicht nicht aus, dann hat das katastrophale Folgen. Oder kann es haben. Bei so einem Job wirst du einfach sehr genau. Prüfst alles vier- und fünfmal nach. Und noch ein weiteres Mal. Und wenn du so bist, dann gibst du das auch so weiter, in diesem Fall an den Junior. Dann lebst du eine Notwendigkeit vor, die auf der anderen Seite zur Realität wird. Und was Realität ist in deinem Kopf, das ist nur sehr schwer veränderbar. Allerdings musste sich bei der Weitergabe vom Vater an den Sohn etwas verschoben haben. Denn die Gewissenhaftigkeit hatte sich eingestellt – sie war aber scheinbar so dominant, dass sie das Zeitmanagement blockierte. Untergrub. Scheinbar paradox, aber so musste es sein. Behütuns reichte das als Erklärung. Seitdem hatte er für Jaczek Verständnis – für die

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