Schafkopf
sensibles Geschäft, was die beiden Unternehmen betreiben. Waffen, Sprengstoffe, Munition und so. Und vielleicht ist es da ganz normal, dass man misstrauisch ist, wenn die Polizei auf der Matte steht? Und wer misstrauisch ist, wirkt leicht verdächtig. Ich muss sich das noch einmal setzen lassen; aber wie gesagt, ich muss ja vielleicht noch mal hin.«
Einen Moment noch überlegte Dick. »Trotzdem – bei der Nobel …, das hatte schon was mit leichtem Erschrecken zu tun, war mein Eindruck. Und mit der Mühe, schnell etwas kontrollieren zu wollen, zu müssen, es sich nicht anmerken zu lassen. Nicht bei allen, mit denen ich sprach. Vor allem aber bei dem Alten aus dem Management. Wie hieß der noch gleich? Buschel. Oder Beuschel? Wartet …« Er kramte ein paar Visitenkarten aus seinem Geldbeutel hervor und warf sie vor sich auf den Tisch. »Auf meine Visitenkarten warte ich übrigens schon über drei Monate«, beschwerte er sich. Die anderen kannten das Problem. Das fing schon mit den Büroklammern und so banalen Dingen wie einem Radiergummi an. Der Verwaltungsaufwand dafür überschritt, das hatten sie einmal bei einem Bier überschlagen, um mindestens das 150-Fache den Wert eines Radiergummis. Zwei Formulare, zwei Stempel – und wenn man diese Hürde genommen hatte, folgten vier bis sechs Wochen Wartezeit und schließlich noch einmal ein Empfangsformular, das dann wiederum statistisch ausgewertet wurde. Und wehe, du hattest innerhalb eines Jahres zufällig einmal zwei Radierer bestellt. Dann rechneten sie dir allen Ernstes vor, dass du den einen beim besten Willen nicht hättest komplett abradieren können. Und dann hattest du es entweder mit dem unausgesprochenen Vorwurf des Unterschleifs (wo kam dieses komische Wort eigentlich her? Dick nahm sich vor, es einmal nachzuschlagen, hatte es im gleichen Moment aber auch schon wieder vergessen) oder dem der Überlastung der Reinigungskräfte zu tun. Weil man so viel Abrieb erzeugte, der dann ja wiederum entfernt und entsorgt werden musste. Also war man wahrscheinlich mehr oder weniger direkt auch für die Staub- beziehungsweise Schmutzzulage des Reinigungspersonals verantwortlich. Ein einziger Fingerzeig der Sach- und Betriebsmittelverwalterin würde genügen, und du säßest auf der Straße und hättest alle deine Pensions- oder Rentenansprüche verspielt. Egal. Jeder im Öffentlichen Dienst Beschäftigte kann hiervon wahrscheinlich ganze Hitparaden vollsingen. Hatte sich eigentlich schon einmal jemand überlegt, wie viel man durch die Einsparung dieser Kontrolleursstellen einsparen könnte? In Radiergummis gerechnet? Oder in Büroklammern? »Broschel hieß er.« Dick war mit dem Kopf wieder zurück in der Besprechung, hatte vor sich auf dem Tisch die Visitenkarten mit dem Finger geordnet und deutete auf eine von ihnen. »Dipl. Ing. Aldowin Broschel. Dingsbums-Chief-Officer-blahblah. Der älteste, mit dem ich dort gesprochen habe. War nett, aber wirkte verunsichert. Irgendwas schien bei dem abzulaufen. Ich werde da sicher noch mal hingehen. Interessant wird das wahrscheinlich erst, wenn wir die Person identifiziert haben, ihren Namen kennen. Irgendetwas vermute ich da – aber wie gesagt, eine reine Vermutung, ein reines Gefühl. Ich kann damit auch völlig daneben liegen.«
»Was ich aber nicht glaube«, fügte Dick nach einer kurzen Pause noch an. »Das war's von meiner Seite.«
P. A. war immer noch nicht da.
»Na gut. Dann werde ich schnell zusammenfassen, was bei mir Sache ist«, übernahm Behütuns das Wort. Sonst ließ er sich immer erst von allen Bericht erstatten, ehe er selbst seine Ergebnisse präsentierte. So konnte er seine Gedanken besser sortieren und effizienter über die Dinge nachdenken. Und oftmals schon erste Schlüsse ziehen. Das erwartete man auch von ihm. Dazu aber brauchte er immer erst alle verfügbaren Erkenntnisse. Das würde sich jetzt nicht machen lassen.
»Wir brauchen endlich Klarheit über die Fakten«, begann er etwas unwillig. »Den Bericht aus der Medizin, die Analysen aus dem Labor, die Aussagen der Fachleute. Natürlich auch die Identität des Mannes, wir wissen ja eigentlich nichts. Hat der Mann noch gelebt, als das Ding explodierte? War er schon tot, war er betäubt? Gibt es Anzeichen für einen Kampf vorher, irgendwelche Spuren, die uns weiterbringen? In welchen Verhältnissen lebte er? Mit wem verkehrte er? Machte er irgendwelche Geschäfte? Wie kam der Mann in den Keller? Ist er da freiwillig rein, also auf eigenen Füßen,
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