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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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Schön auch: ›32 ist doch kein Alter‹, gemeint ist natürlich die Laufzeit der deutschen Atommeiler. Ein Spielverderber, wer mit der Halbwertszeit des Atommülls daherkäme – im Vergleich dazu ist 32 tatsächlich kein Alter …« Und so ging das weiter.
    Hölzer lief es heiß und kalt den Rücken hinunter, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Wie lächerlich wurde er denn hier gemacht! Wenn das sein Chef zu lesen kriegte … Die ganze Sache war doch seine, Hölzers persönliche Idee gewesen! Er hatte das initiiert und für das Forum aus seinem Budget eigenmächtig finanziert. Seine schönen Sprüche! Und jetzt wurden sie so durch den Kakao gezogen. So lächerlich gemacht. Das nahm ihnen doch die ganze Kraft! Und die Karten musste er jetzt einstampfen lassen, vom Markt nehmen. So eine schöne Kampagne! Klar hatte der Schrader aus der Agentur ihm abgeraten. Hatte hin und her diskutiert und argumentiert. Hatte gewarnt, das sei nicht adäquat, dieses Thema könne man so nicht bearbeiten, das sei doch viel zu sensibel und weitreichend, da müsse man vorsichtiger sein und lauter so schwachbrüstigen Scheiß. Aber er, Hölzer, hatte sich nicht beirren lassen. Seine Idee war gut! War glänzend! War genial! Außerdem war er der Kunde, und der Auftragnehmer, also die Agentur, hatte zu tun, was er wollte. Er zahlte schließlich, brachte das Geld! Diesen ganzen Beratungsscheiß brauchte er nicht. Er wusste genau, was er tat, und da hatte ihm keiner dreinzureden! Basta! Also hatte er ganz einfach angeordnet, diese Kampagne zu starten. So viel Charme, so viel Gespür, so viel Sympathie! Das war doch eigentlich unschlagbar! Ja, genau so war's!
    Und jetzt das! Doch seine Strategie war klar: Der Kreative sei es gewesen. Er mochte ihn sowieso nicht leiden. Er habe ihn falsch beraten, habe gegen seine, Hölzers, Bedenken darauf bestanden, habe ständig insistiert und dann auch noch ausdrücklich gegen, nein: ohne sein finales »Go!« die Sachen in den Druck und in die Verteilung gegeben. Der würde jetzt ganz schön bluten! Ja, so kam er, Hölzer, aus der Sache raus, zumindest einigermaßen. Nur – jetzt musste er diesen Kreativen kriegen. Verschanzt der sich in den Bergen. Was bildet denn der sich ein! Ich bin hier der Kunde, und wenn ich was brauch oder will, dann hat der verdammtnochmal da zu sein! Greifbar! Und zwar, wenn ich es will, nicht wenn der vielleicht mal Lust dazu verspürt oder kann. Na, dem werde ich es zeigen!
    Ich werde schon mal eine Mail schreiben, dachte sich Hölzer. An die Geschäftsführungen der Agentur und hier im Haus. Vorpreschen ist die beste Verteidigung. Immer. Und mit offenen Karten spielen. Es war nicht ich, es war die Agentur! Böswillig und entgegen meiner ausdrücklichen Weisung, ja: hinter meinem Rücken einfach etwas gemacht, das jetzt womöglich der ganzen Branche schadet. Das in einer bundesweit erscheinenden und auch noch angesehenen Wochenzeitung steht. Da werden Köpfe rollen! Wehe ihm, wenn dieser Knallkopf Schrader von seiner Hütte zurückkommt. Dann muss er ausgeschlafen sein! Warm anziehen wird er sich müssen. Und vielleicht kostet ihn das ja seinen Job. Zufrieden lehnte sich Hölzer bei dieser Vorstellung in seinem Stuhl zurück. Das war die Macht, die er brauchte, und die er auch gerne verspürte.
    Und Herbert Hölzer setzte sich an seinen Rechner, tippte eine Mail, setzte den großen Verteiler rein und ab.
    Jetzt ging es ihm wieder besser. Aus der Nummer war er raus.
    Hajo Schrader aber lag schon tot auf der Alzasca.

Wir müssen es erlernen, die Probleme
allseitig zu betrachten, nicht nur die Vorderseite
der Dinge zu sehen, sondern auch ihre Kehrseite.
Mao Zedong
9. Kapitel
    Von dem Mord im Tessin war in Nürnberg noch nichts bekannt, genauso wenig wie in der Schweiz. Der Tote lag allein dort oben, niemand kam bei diesem Wetter vorbei. Nur der Adler und die Krähen hatten den Leichnam inzwischen entdeckt, auch Schafe hatten an ihm geschnuppert. Die Vögel aber machten sich über die freiliegenden Innereien her. Es regnete an diesem Mittwochvormittag noch immer im Süden der Schweiz, und die Wolken hingen tief. Nebelfetzen zogen im Wind und nahmen die Sicht. Es war kein Wanderwetter, kein Wetter für irgendwas. Regenschauer peitschten immer wieder über die Landschaft, dichte Wasserwände. Dann strömte das Wasser über die Hänge und Felsen, Bäche und Abflussrinnen schwollen an, rissen Steine mit sich und stürzten ins Tal. Es war kein Unwetter, nur Schlechtwetter, aber in den

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