Schafkopf
es sich handelte und dass sie Fragen aufwarf. Wieso gibt der Verkaufsleiter Falcking ein fünfundzwanzigtausend Euro teures Gutachten zu Absatzmöglichkeiten im Osten an eine Unternehmensberatung, mit der die Firma Leitzachziegel noch nie zusammengearbeitet hat? Auch würde man sich fragen, wozu das Gutachten gut sei, denn das Thema war wegen zu großer Risiken von der Agenda genommen worden.
Falcking war seit drei Jahren in der Firma. Man hatte ihn als Justitiar eingestellt. Aufgabe des Justitiars war es, die Arbeit zwischen der von einer Rechtssache betroffenen Abteilung und den externen Anwälten des Unternehmens zu koordinieren. Dafür musste man lediglich über rudimentäre Rechtskenntnisse verfügen und mit Leuten reden können. Das konnte Falcking. Dennoch füllte ihn seine Tätigkeit nicht aus. Er fühlte, dass er Besseres zu leisten imstande war. Und so begann er, Aufträge für die Firma zu akquirieren. Zunächst von Bekannten, die Dachziegel für ihre Einfamilienhäuser benötigten, später für einen Schulneubau und für die Neueindeckung eines Kirchendachs. Die Geschäftsleitung wurde auf Falckings Talente aufmerksam und machte ihm das Angebot, in den Verkauf zu wechseln. Das Grundgehalt war nicht höher als das Juristensalär, doch konnte man es durch Verkaufsprovisionen vervielfachen. Falcking nutzte die Gelegenheit, wurde innerhalb eines Jahres zum umsatzstärksten Verkäufer des Unternehmens und verdiente mehr als der Personalvorstand. Er kaufte sich einen Porsche als Zweitwagen (zu den Kundenterminen fuhr er mit einem E-Klasse-Mercedes), eine Eigentumswohnung in München-Bogenhausen und seiner Frau Anette Schmuck für siebzehntausend Euro.
Dann wurden die Zeiten härter, die Verkäufe gingen zurück. Doch noch gab es Perspektiven. Ein Falcking bekanntes Bauunternehmen hatte den Zuschlag für die Renovierung mehrerer Bundeswehrkasernen erhalten, und Falcking machte sich Hoffnung, den Auftrag für die Lieferung der Dachziegel zu bekommen. Falcking war indes nicht der Einzige, der sich Hoffnungen machte. Der zuständige Einkaufsleiter Ronald Wirchow hatte Angebote aus ganz Deutschland auf dem Tisch und tat sich schwer bei der Entscheidung. Falcking wusste, dass Wirchows Schwiegervater eine kleine Unternehmensberatungsfirma besaß, die stets am Rande der Insolvenz vor sich hin dümpelte, und beauftragte ebenjene Firma Kosberg & Partner mit einem Gutachten für die Leitzachziegel AG . Umfragen in der Branche ergaben, dass Kosberg & Partner keine Leuchten ihres Fachs waren. Das gelieferte Gutachten würde wertlos sein, was aber keine Rolle spielte, sofern sich Wirchow dankbar zeigte und Falcking den Auftrag zuschob.
Falcking wusste, dass die Entscheidung heute Vormittag fallen sollte. An sich war das reine Formsache. Wirchow hatte Falcking diskret, aber eindeutig zu verstehen gegeben, dass die Angelegenheit in trockenen Tüchern war. Das Telefon klingelte.
»Sie hatten um Rückruf gebeten«, sagte Wirchow am anderen Ende der Leitung.
»Tut mir leid. Ich will Sie nicht nerven. Aber ich habe in fünf Minuten einen Termin beim Vorstand, und da wäre es günstig, wenn ich schon mal was zur Auftragsvergabe sagen könnte.«
»Natürlich. Es ist nur so …« Wirchow suchte ziemlich lange nach den richtigen Worten.
»Ist noch keine Entscheidung gefallen?«
»Doch, doch. Vor einer halben Stunde haben wir die Entscheidung getroffen …«
Falcking zog sich der Magen zusammen, klammerte sich aber an die Hoffnung, dass Wirchows Zögern etwas anderes zu bedeuten hatte, als er befürchtete. Dass man noch einmal über Preis und Zahlungsbedingungen reden wollte oder der Auftrag geteilt werden sollte. »Ja und?«, fragte Falcking.
»Ein ungarischer Lieferant hat den Zuschlag bekommen.« Wirchows Stimme klang belegt.
»Oh«, sagte Falcking, gequält um einen geschäftsmäßigen Ton bemüht, man wusste ja nie, wer noch in der Leitung war. »Ich bin … erstaunt. Ich … wir hatten uns gewisse Hoffnungen gemacht …«
»Natürlich. Es … es hat nichts mit Ihrem Angebot zu tun. Ich persönlich hätte gerne mit Ihnen gearbeitet. Leider haben gewisse Veränderungen in unserer Gesellschafterzusammensetzung eine andere Entscheidung … erfordert.«
»Was für Veränderungen?«
»Sie haben vielleicht aus der Presse entnommen, dass vor einer Woche ein spanischer Investor bei uns eingestiegen ist. Diesem Investor gehört das ungarische Ziegelwerk. Der Auftrag sollte sozusagen im Unternehmen
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