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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Frakturen. Die Frau vor ihm trug eine Kunststoffschiene am linken Unterarm. Nicht alt. Vielleicht drei Tage. Ihr Name war Susanne Lintinger. Die Finger der freien rechten Hand zitterten, sie war aufgeregt. Auch das nichts Neues. Falcking sagte, sie dürfe rauchen, wenn sie das beruhige. Die Frau zündete sich eine Zigarette an, den Kaffee lehnte sie ab. Sie würde die Tasse nach Falckings Einschätzung ohnehin nicht bis zum Mund bringen, ohne die Hälfte zu verschütten. Sich selbst goss Falcking einen Becher aus der Thermoskanne ein, die auf dem Schreibtisch stand. Er musste sich konzentrieren, auf Nuancen im Gebaren seines Gegenübers achten. Sie würden heikles Terrain durchschreiten.
    Die Frau sah sich um. Es gab nicht viel zu sehen. Einige wenige juristische Standardwerke, keines davon in neuester Ausgabe, die meisten noch aus den Jahren von Falckings Referendarzeit. Kommentare wie der Palandt waren teuer. Zu teuer für einen Anwalt, der wenig verdiente und dessen Tätigkeit mit Gesetzesauslegung nur selten zu tun hatte.
     
    Jonas Falckings Leben hatte seit der Nacht vom 15 . Juni 2007 einen kurvenreichen, steinigen Weg genommen. Er war gekündigt worden, konnte aber verhindern, dass man die Sache der Staatsanwaltschaft übergab. Die Leitzachziegel AG war nicht daran interessiert, dass man einen Bestechungsfall, in dem ihr Name vorkam, vor einem öffentlichen Gericht verhandelte. Man einigte sich darauf, dass Falcking den entstandenen Schaden in Raten zurückbezahlte. Falcking hatte bei der Firma Kosberg angefragt, ob sie eventuell bereit sei, das Honorar wenigstens teilweise zurückzubezahlen, da man ja – hier half nur noch Offenheit – den Auftrag von Herrn Kosbergs Schwiegersohn entgegen gemachter Versprechungen nicht bekommen hatte. Leider war das Geld bereits für die Tilgung von Schulden der Firma Kosberg verbraucht worden, und Herr Kosberg tat höchst erstaunt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Gutachten und irgendeinem anderen Auftrag geben sollte.
    Falcking brachte es zwei Wochen lang nicht über sich, seinem Schwiegervater zu beichten, dass dessen Schwarzgeld gestohlen worden war. Als er es schließlich tat, regte sich Schauchmeier so auf, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt und ins Krankenhaus musste. Seine Demenzerkrankung verschlechterte sich sprunghaft. Falckings Frau Anette und seine Schwiegermutter verstanden zunächst nicht, worum es bei dem Streit der beiden Männer gegangen war. Falcking brachte ihnen vorsichtig bei, dass Schauchmeiers illegal erworbene Alterssicherung beim Teufel war und er, Falcking, das verbockt hatte. Einen Monat später zog Anette aus dem gemeinsamen Haus aus. Auch Falcking selbst zog kurz darauf aus. Das Haus war für ihn alleine zu teuer. Es wurde verkauft. Falckings Frau lebte jetzt mit ihren Eltern in deren Haus in Gmund. Schauchmeiers gesundheitlicher Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert, und seine Firma war ohne ihren Inhaber insolvent gegangen.
    Falcking lebte in einer kleinen Wohnung in Holzkirchen, die ihm gleichzeitig als Kanzlei diente. Die Mandate waren spärlich und von lausigem Streitwert. Wer sich einmal von Falcking hatte vertreten lassen, hatte in der Regel keinen Anlass, die Kanzlei weiterzuempfehlen. Die Umsätze blieben somit unerfreulich niedrig. Eines Tages kam eine Frau zu Falcking, die Blessuren im Gesicht trug. Sie sagte, ihr Mann misshandele sie und sie wolle sich von ihm trennen. Allerdings wisse sie nicht, wie sie das anstellen solle. Denn sie fürchtete die Rache ihres Mannes. Falcking nannte der Frau die Möglichkeiten, die er kannte: Strafanzeige, Scheidung, gegebenenfalls ein Verfahren wegen Stalkings. Was er der Frau nicht garantieren konnte, war, dass sie mit heiler Haut aus der Sache herauskam. Das nächste Mal, dass Falcking von der Frau hörte, hatte sie versucht, ihren Mann mit einer Schrotflinte zu erschießen. Das Mandat im nachfolgenden Strafverfahren ging an einen Kollegen aus München, in dessen Fähigkeiten die Frau offenbar mehr Vertrauen hatte.
    Zumindest brachte der Vorfall Falcking ins Nachdenken. Ihm fiel der nächtliche Besuch ein, den er vor einiger Zeit einem Dr.Junkinger in Festenbach abgestattet hatte – und das Mädchen mit der gebrochenen Nase. Offenbar kannte man den Arzt in Kreisen geschlagener Frauen. Das Mädchen hatte die Adresse von einem Arzt in der Notaufnahme eines Krankenhauses bekommen. Falcking hätte jede Wette gehalten, dass Junkinger unterbezahlte Kollegen in sämtlichen

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