Schafkopf
Notaufnahmen der oberbayerischen Kliniken geschmiert hatte, damit sie den in Frage kommenden Frauen seine Visitenkarte gaben. Prügelnde Männer und ihre lädierten Frauen hatten Bedarf an diskreter medizinischer Versorgung.
Falcking suchte Dr.Junkinger zu einem geschäftlichen Gespräch auf. Wie zu erwarten, hielt sich Dr.Junkingers Begeisterung darüber, dass jemand sein Geschäftsmodell enttarnt hatte, in Grenzen. Aber da ihm ein Rechtsanwalt gegenübersaß und der Verlust der Approbation nur ein paar Anrufe entfernt war, hörte sich Junkinger an, was Falcking ihm vorschlug. Die Idee war simpel: Warum die Verwertungskette nicht verlängern? Warum sollte nicht auch Junkinger, wenn er mit der Patientin alleine und ein prügelnder Partner nicht in Sicht war, unauffällig eine Visitenkarte weiterreichen, verbunden mit dem Hinweis, dass man vertraulich, unverbindlich und kostenlos ein Gespräch mit einem Fachmann führen konnte. Jemandem, der mit dem Schicksal geschlagener Frauen vertraut war, der Auswege wusste. Der prügelnde Männer in ihre Schranken wies. Letztlich sei Junkinger das seinen Patientinnen schuldig, fand Falcking. Junkinger wandte ein, dass er seine Patientinnen dann aber los sei, wenn Falcking ihnen tatsächlich helfen könne, wobei ihm der unethische Ansatz seiner Argumentation durchaus bewusst sei, aber man rede im Augenblick ja von Geld. Falcking versprach Junkinger eine Provision für den Fall, dass ein Mandat zustande komme. Außerdem brauche er nur die besonders harten Fälle an den Anwalt zu verweisen. Auch sei es sinnvoll, dass man Frauen, die über keinerlei Geldquellen verfügten, von vornherein aus dem Programm ausschließe.
Die zu Falcking geschickten Frauen fassten im Lauf der anwaltlichen Beratung wenig Vertrauen in eine juristische Lösung ihrer Probleme. Falcking konnte ihnen nicht garantieren, dass sie einen Prozess ohne Schaden an Leib und Leben überstanden. Es gab Frauenhäuser. Aber die waren in München. Auf dem Land gab es eigens für solche Zwecke angemietete Wohnungen. Aber selbst wenn man sich dort versteckte – man musste irgendwann vor Gericht, eine Aussage machen, dem verhassten Peiniger gegenübertreten, in dem Wissen, dass man ihn zutiefst gedemütigt und gereizt hatte. Mit viel Glück würde der Kerl für drei Jahre hinter Gittern verschwinden. Aber dann? Nein, das war keine Lösung für Frauen, die seit Jahren lieber Prügel und Demütigungen aller Art hinnahmen, als den Versuch zu unternehmen, ihre Männer zu verlassen.
»Wir können einen gerichtlichen Beschluss erwirken, dass sich Ihr Freund Ihnen nicht nähern darf. Also einen bestimmten Abstand halten muss. Wenn er dagegen verstößt, macht er sich strafbar und kann ins Gefängnis kommen. Das hält einige Männer durchaus davon ab …« Die junge Frau machte sich keine Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. Eine Träne lief ihr die Wange hinunter.
»Sie glauben nicht, dass Ihr Freund das akzeptieren wird?«
»Gefängnis ist dem egal. Der wohnt da.«
»Er ist vorbestraft?«
Die junge Frau nickte. Falcking tat, als würde er nachdenken. »Aber irgendetwas muss passieren«, sagte er schließlich mit belegter Stimme. »Sie können ihm doch nicht für immer ausgeliefert bleiben.«
»Ich hab gedacht, Sie wüssten etwas.«
»Was ich weiß, habe ich Ihnen gesagt. Natürlich bleibt ein gewisses Restrisiko. Das kann ich Ihnen nicht nehmen.«
»Das Risiko ist zu hoch. Der … der bringt mich um, wenn er mich kriegt.«
»Ich verstehe, dass Sie Angst haben. Aber meinen Sie nicht, dass Sie die Gefahr dramatischer sehen, als sie ist?« Die Frage war schon einige Male der Erfolgsschlüssel gewesen.
»Der hat schon mal versucht, mich umzubringen. Wegen neunhundert Euro.«
»Wie bitte?«
»Ich schwör’s Ihnen. Wenn da net rechtzeitig jemand gekommen wär, ich tät net hier sitzen.«
Falcking starrte Susanne Lintinger fassungslos an. Er hatte den Blick mittlerweile verinnerlicht und wusste, dass er ohne weiteres eine Weile schweigend dasitzen konnte, versuchen, etwas zu sagen, wieder abbrechen, weil er in seinem Entsetzen die rechten Worte nicht fand. Je länger es dauerte, desto dramatischer wirkte es. Schließlich sagte er: »Das … das ist unfassbar. Ich meine … er wollte Sie allen Ernstes umbringen?«
Statt einer Antwort schneuzte die junge Frau in ein Papiertaschentuch und schickte zwei Tränen auf die Reise über ihre bleichen Wangen.
»Ich hab so was ehrlich gesagt noch nie erlebt. Das ist
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