Schafkopf
gedacht, dass es solche Ärzte gibt. Und dass die in den einschlägigen Kreisen bekannt sind.«
»Das glaub ich wieder nicht, dass die bekannt sind. Da redst ja net drüber. Weder als Opfer noch als Täter. Mundpropaganda, wie du dir das vorstellst, das gibt’s da nicht.«
»Das hat mir die Sozialarbeiterin auch gesagt, die ich dazu gefragt hab. Trotzdem: Irgendwie war das so ein Gefühl. Schließlich waren die auch alle beim gleichen Anwalt. Der würde sich ja dann genauso wenig rumsprechen.«
»Stimmt«, musste Mike zugeben.
»Es müssen ja nicht die Täter oder Opfer sein, die einen Arzt empfehlen.«
»Wer sonst?«
»Andere Ärzte. Zum Beispiel in der Notaufnahme.«
»Das hab ich noch nie erlebt, dass mir in der Notaufnahme einer einen Arzt empfiehlt. Die fragen vielleicht mal, ob du einen Hausarzt hast«, wandte Wallner ein.
»Korrekt. Von alleine kommen die nicht drauf, einen Arzt zu empfehlen.«
»Wie kommen die dann drauf?«
»Die werden geschmiert. Von einem Arzt außerhalb des Krankenhauses. Der Arzt in der Notaufnahme muss ja nur die Visitenkarte weitergeben. ›Für die Nachbehandlung kann ich Ihnen einen Kollegen empfehlen, der auf diese Verletzungen spezialisiert ist. Guter Mann. Redet wenig und fragt nie.‹ Das nächste Mal gehen die eben da hin.«
»Gibt es diesen Arzt tatsächlich?«
»O ja, den gibt’s.«
Janette grinste übers ganze Gesicht. Der Auftritt machte ihr Spaß. Wallner und Mike wechselten einen Blick. »Will ich wissen, wie du das herausgefunden hast?«
»Nein. Willst du’s trotzdem hören?«
Wallner nickte schicksalsergeben.
»Im Krankenhaus hier gibt’s einen jungen Arzt in der Notaufnahme. Name tut nichts zur Sache. Jedenfalls hatte der die schon erwähnte Frau Leitbichler behandelt und machte den Eindruck, als sei er nervlich nicht der Stabilste. Ich also hin und stell mich vor. Der hat sich schon fast in die Hosen gemacht, als ich den Ausweis rauszieh. Tja, dann hab ich gesagt, dass sein Name im Zusammenhang mit einem Mordfall auftaucht. Er habe offenbar eine Frau Leitbichler an einen Anwalt namens Falcking verwiesen, und der wär jetzt tot. Der Mann ist schlagartig bleich wie die Wand gewesen. Hat natürlich am Anfang ein bisschen abgestritten. Stimmte ja auch nicht, was ich gesagt hab. Aber Leitbichler stimmte, und der Arzt hatte in dem Zusammenhang Dreck am Stecken. Da hab ich nur noch ein bisschen nachlegen müssen: Dass er Frau Leitbichler an einen anderen Arzt verwiesen habe, das werde er ja wohl nicht leugnen. Da kam’s auch schon raus. Es sei nur eine Empfehlung gewesen, das sei ja nicht verboten. Vielleicht habe der andere Arzt die Frau ja zu dem Anwalt geschickt und so weiter. Ergebnis: Dieser andere Arzt heißt Dr.Junkinger und wohnt in Festenbach. Ich bin gleich hin und hab ihm gesagt, er soll sich seine Approbation noch mal gut ansehen, bevor sie eingezogen wird. Kollegen schmieren wär ja kein Kavaliersdelikt.«
»Hab ich das richtig verstanden«, sagte Wallner, »die Damen waren alle bei Junkinger in Behandlung? Und der hat sie zu Falcking geschickt. Vermutlich gegen Provision.«
»Genau so war’s.«
»Good job well done«, sagte Wallner mit echter Anerkennung im Ton. »Wer hätte gedacht, dass aus dir mal so ein Ass wird.«
Janette lächelte und versuchte bescheiden zu wirken, was ihr nicht ganz gelang.
»Junkinger hat die Frauen also zu Falcking geschickt. Ist ja nicht so abwegig. Die Damen hatten offensichtlich Eheprobleme. Da kann man schon mal einen Anwalt brauchen. Aber warum ist nie was geworden aus den Mandaten?«
»Keine Ahnung. Das kann uns nur Herr Falcking sagen.«
»Der ist leider tot«, sagte Mike. »Und in den Akten haben wir nichts über die Frauen gefunden. Nur die Einträge im Kalender.«
»Vielleicht sollte ich noch mal mit den Frauen reden«, schlug Janette vor.
»Lass stecken«, sagte Wallner. »Ich hätte, glaub ich, lieber Aussagen, die wir vor Gericht verwerten können.«
Janette zog eine Grimasse.
»Irgendwas war faul an den Gesprächen mit den Frauen. Sonst hätte wenigstens eine mit uns darüber geredet. Und vielleicht war das nicht nur den Mandantinnen unangenehm, sondern auch dem Anwalt …«
[home]
52 . Kapitel
24 . September 2009 , 10 Uhr 00 : Die junge Frau, die auf der anderen Seite des Schreibtisches in einem Besucherstuhl kauerte, gehörte zu einem Typ Frauen, von denen schon eine Handvoll vor Falcking gesessen waren. Unsicher, ängstlich, Hämatome im Gesicht und anderswo. Einige Frauen hatten
Weitere Kostenlose Bücher