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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Wiesnsaison nach München hineingefahren. Einmal am Italienerwochenende, weil er da immer den Liegestuhlverleiher aus Cesenatico traf, bei dem die Familie mehr als dreißig Sommer lang Liegestühle gemietet hatte. Das zweite Mal am letzten Sonntag respektive am 3 . Oktober, wenn der auf einen Montag oder Dienstag fiel. Denn das war der Tag der Einheimischen. Die Australier, Italiener und die anderen Verrückten waren weg, und man ließ es gemütlich angehen, gab sich ein wenig der Melancholie des Abschieds hin, scherzte, dass es noch dreihundertneunundvierzig Tage bis zur nächsten Wiesn seien, aß die letzte Riesenbreze und trank in aller Ruhe die letzten drei, vier, fünf oder sechs Mass. Sie hatten gedacht, es sei eine gute Idee, Schauchmeier auf das Oktoberfest mitzunehmen. Dass es ihm vertraut vorkommen und er sich entspannen, in der Nachmittagssonne sitzen und ein halbes Hendl essen würde. Vielleicht hätte man ihm eine Mass erlaubt, auch wenn der Arzt das nicht gern sah. Doch es war anders gekommen. Schon in der U-Bahn war er unruhig geworden, als sie dann ausstiegen und mit tausend anderen auf dem Bahnsteig dem Ausgang zustrebten, war er in Panik geraten, hatte angefangen zu schreien und um sich zu schlagen. Falcking hatte gesagt, sie müssten ihn nur bis zum Bierzelt bringen, dann werde sich sein Schwiegervater in der vertrauten Umgebung beruhigen. Aber es war gar nicht dran zu denken, Schauchmeier noch irgendwohin zu bringen. Er begann zu hyperventilieren, und sie mussten einen Sanitäter holen, an denen auf dem Oktoberfest zum Glück kein Mangel herrschte.
    Falcking saß mit Schauchmeier an dem Tisch, an dem sie vor über zwei Jahren gesessen und Obstler getrunken hatten. An dem er seinem Schwiegervater fast zweihunderttausend Euro abgeschwatzt hatte, Geld, das Schauchmeier nie wiedergesehen hatte. Als Falcking ihm den Verlust des Geldes gestanden hatte, war Schauchmeier kollabiert. Physisch, mental, allumfassend. Die Alzheimererkrankung hatte sich rapide verschlechtert, Schauchmeier war zum Pflegefall geworden. Das wäre vermutlich ohnehin so gekommen. Aber vielleicht eben doch nicht oder nicht so schnell. Anette hatte Falcking für das Unglück verantwortlich gemacht und ihn verlassen. Auch Falcking hatte sich eingestanden, dass er an Schauchmeiers Niedergang schuld war, und versucht, es ein bisschen wiedergutzumachen. Ein ums andere Mal hatte er angeboten, sich um den Schwiegervater zu kümmern. Das war von Anette und ihrer Mutter zunächst brüsk abgelehnt worden. Auch weil man Schauchmeier den Stress ersparen wollte, seinen Schwiegersohn wiederzusehen. Doch als die Krankheit fortschritt und man Schauchmeier gar nicht mehr unbeaufsichtigt lassen konnte, gleichzeitig dessen Erinnerungsvermögen so weit geschrumpft war, dass er seinen Schwiegersohn nicht mehr erkannte, da hatten sie Falcking dann doch Gelegenheit zur tätigen Reue gegeben.
    Schauchmeier saß apathisch am Tisch und blickte ab und zu verstohlen zu Falcking, als habe er den Eindruck, den jungen Mann schon mal gesehen zu haben, ohne sich freilich an Namen und Umstände erinnern zu können. Das Misstrauen stand Schauchmeier ins Gesicht geschrieben.
    »Wie schaut’s aus, Bernd? Magst noch an Tee?« Falcking klopfte seinem Schwiegervater auf die Schulter. Der sah voll Argwohn auf Falckings Hand, dann auf die leere Teetasse auf dem Tisch. Maria war heute in Kempten bei einer Freundin und würde dort übernachten. Es war das erste Mal, seit sie von der Krankheit erfahren hatten, dass sie ihren Mann länger als ein paar Stunden allein ließ. Anette würde sich um ihren Vater kümmern. Damit Anette mit dem Hund joggen gehen konnte, hatte sich Falcking bereit erklärt, bei Schauchmeier zu bleiben.
    »Also? Tee?«, fragte Falcking nach, als Schauchmeier nicht antwortete. Schauchmeier schüttelte finster den Kopf. Falckings Handy klingelte. Es wurde keine Nummer angezeigt. Falcking meldete sich.
    »Hallo, Herr Falcking, ich grüße Sie«, sagte eine Stimme, die Falcking nicht kannte. Die Stimme klang weich, fast ein wenig servil, hochdeutsch mit stark bayerischer Färbung.
    »Helfen Sie mir kurz …«, sagte Falcking.
    »Oh, Sie kennen mich nicht«, sagte die Stimme. »Aber ich kenne Sie. Das soll uns erst mal genügen.«
    »Hören Sie – ich weiß immer ganz gern, mit wem ich rede.«
    »Ja, das wüsste jeder gern. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert, Herr Falcking.«
    »Also entweder Sie sagen mir jetzt Ihren Namen, oder ich lege

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